Neues Album von Ibibio Sound Machine: Hypnotische Klangmaschine

Das Londoner Oktett Ibibio Sound Machine bringt mit den Songs seines neuen Albums „Pull the Rope“ Afrobeat in die Dancefloor-Gegenwart.

Die MusikerInnen von Ibibio Sound Machine vor einer grünen Wand

Grün ist die Farbe der Hoffnung: Ibibio Sound Machine Foto: Matilda Hill Jenkins

Man nehme: Eine ordentliche Portion beißender Akkorde aus dem Synthesizer direkt von einem Postpunk-Album entnommen. Schmore diese mit fetten Funk-Bassläufen und brachialen elektronischen Beats an. Würze den Sud mit wohldosierten Bläsersalven in bester Afro-Funk-Tradition.

Füge zum Verfeinern noch treibende Percussionrhythmen und die Klangfarben verschiedener Instrumente aus Westafrika hinzu. Garniere schließlich das Ganze mit zweisprachigem Sirenengesang – fertig ist das mitreißende Gemisch der Band Ibibio Sound Machine.

Gegründet 2010 in London, stehen im Zentrum des Oktetts Keyboarder Max Grunhard und Sängerin Eno Williams. Ihr Bandname verweist auf die US-Combo Miami Sound Machine um Gloria Estefan, der es in den 1980er Jahren mit Hits wie „Dr. Beat“ und „Rhythm Is Gonna Get You“ gelang, eigenwillige elektronische Tanzmusik auf der Basis von kubanischer Salsa zu schaffen.

Sprache aus Nigeria

Einen ähnlichen Ansatz verfolgen auch Grunhard und Williams. Sie übertragen den Geist des klassischen Afrobeat in die Gegenwart. Ibibio ist eine Sprache in Nigeria, die von Williams' Mutter gesprochen wurde und deren Erzählungen sie an ihre Tochter weitergegeben hat. Diese bilden nun teils auch Songtexte von Ibibio Sound Machine. „Pull the Robe“ heißt das inzwischen fünfte Album der eklektischen britischen Band.

Ibibio Sound Machine: „Pull the Robe“ (Merge/Cargo)

Während Ibibio Sound Machine auf dem Vorgänger mit House- und Disco-Elementen zu neuer Leichtigkeit gelangten, schimmert „Pull the Robe“ metallisch düster. Dieser Stimmungswandel hat mit der Entstehungsweise der Musik zu tun. Für die Aufnahmen sind die acht Mu­si­ke­r*in­nen in den Norden Englands, nach Sheffield, aufgebrochen, wo sie das Studio von Ross Orton gebucht hatten. Der Produzent und Drummer Orton hat schon mit Gruppen wie The Fall und Roots Manuva zusammengearbeitet. Er schreibt die Geschichte Sheffields als wichtige Musikstadt fort, deren Sound vom Industrial-Postpunk von Cabaret Voltaire, dem Synthpop von Human League sowie von Bands wie Pulp und dem Label Warp geprägt ist.

Nicht nur Sheffield hat sich in die zehn Stücke von „Pull the Robe“ eingeschrieben. Ross hat die Band auch einem anderen Arbeitsprozess unterworfen. Anstatt die Stücke gemeinsam im Studio zu entwickeln, haben Grunhard und Williams in kurzer Zeit die Lieder zunächst zu zweit komponiert. Erst dann haben sie ihre Kollegen hinzugeholt und die Songs schichtweise arrangiert.

Wandel zum Kompakten

Bei einer auf Improvisation basierenden Band wie Ibibio Sound Machine klingt dieses Vorgehen wie ein Wagnis. Doch das Gegenteil ist der Fall: Nie hörten sich Ibibio Sound Machine kompakter und direkter an als in den Songs auf „Pull the Robe“. Schon das Titelstück, zugleich Auftakt des Menüs, macht diesen Wandel deutlich.

Ohne Vorwarnung peitscht der Beat voran, ein paar Basstöne erzeugen einen hypnotischen Sog, die Tasteninstrumente knarzen und blubbern, eine Gitarre kreischt, die Bläser krächzen im Hintergrund. Und dann ist da noch der sloganhafte Refrain, ein Aufruf zur Solidarität, der keine Zeit zum Atemholen lässt. Für Entspannung sorgt das Lied „Got to be Who U Are“, in dem ein wabernder Bass und sphärische Keyboardflächen auf ein Fingerklavier treffen. Schmeckt!

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