Neues Album von Halsey: Unbedingt weiterleben
Die Sängerin Halsey ist in den USA ein Star. Auf Ihrem neuen Konzeptalbum singt sie über seelische Befindlichkeiten und eigene Krankheiten.
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Für alle, die mit dem Namen Halsey nichts anfangen können: In den USA ist die Sängerin, geboren 1994 als Ashley Nicolette Frangipane, ein Star. Halsey spielt in einer Liga mit Pink. Eines ihrer fünf Alben stand an der Spitze der US-Charts, die übrigen kamen jeweils bis auf Platz zwei. Bleibt die Frage, warum die in einem Kaff in New Jersey geborene US-Amerikanerin in Deutschland noch keine Heldin geworden ist?
Von Beginn an hatte Halsey in den zehner Jahren ein Händchen für Dance-Pop, konnte aber genauso als Singer-Songwriterin mit klugen Texten überzeugen, nur war sie halt immer eine Spur zu eigenwillig, im Vergleich zu den konfektionierten Mainstream-Konkurrentinnen. Möglicherweise hat das im gewohnheitsliebenden Deutschland nicht so gut funktioniert.
Mit ihrem jüngst erschienenen Konzeptalbum „The Great Impersonator“ stellt sich Halsey nun einer ganz neuen Herausforderung. Sie überlegt sich als Konzept, wie ihre Songs wohl in der Zeit zwischen den 1970er Jahren und der Jahrtausendwende geklungen hätten. Statt zu versuchen, viel Geld mit einem Trend zu machen, schlägt sie also wieder mal einen anderen Kurs ein.
Ihre neuen Stücke handeln von seelischen Befindlichkeiten, aber auch von Krankheiten. Halsey leidet an einer bipolaren Störung und Endometriose, während des Schreibprozesses wurden bei ihr zudem Leukämie und die Autoimmunerkrankung Lupus erythematodes diagnostiziert.
Halsey: „The Great Impersonator“ (Columbia/Sony)
Gelungener Spagat
Die Künstlerin sagte kürzlich, sie habe Glück, noch am Leben zu sein. Spannend ist, wie Halsey trotzdem nicht auf die Tränendrüse drückt, sondern mit „The End“ sogar einen gelungenen Spagat zwischen einem Liebeslied auf der einen und dem Ausloten ihres gesundheitlichen Zustands auf der anderen Seite hinbekommt.
„So, I ran into the clinic to see the man with his white coat / And his stethoscope like a snake around his hand“ singt sie. Später fragt sie den Mann, den sie liebt: „If you knew it was the end of the world / Could you love me like a child?“ Musikalisch springt sie mit der akustischen Gitarre in dieser melancholischen Ballade zurück in die 1970er Jahre. Joni Mitchell lässt grüßen.
„Lucky“ fischt beim gleichnamigen Britney-Spears-Hit. Das heißt, Halsey eignet sich den Refrain an, wechselt dabei aber von der dritten Person zur Ich-Perspektive: „I’m so lucky / I’m a star“. Auch wenn dieser Satz etwas anderes vermuten lässt: Sowohl das Original als auch diese Coverversion greifen die Schattenseiten des Ruhms auf.
„Did it all to be included / My self-loathing so deep rooted“, erklärt Halsey. „Inner child that’s unrecruited/ Truth is I’m not suited for it.“ Halseys Dancepop groovt sich unterdessen an den Signaturesound der nuller Jahre heran.
Drei Briefe an Gott
Gleich drei Lieder tragen denselben Titel „Letter to God“. Allerdings beziehen sie sich auf ganz unterschiedliche Jahre. „Letter to God (1974)“ lehnt sich klanglich an die frühe Cher an, das Stück fängt Halseys Kindheit ein. Damals hat sie sich gewünscht, krank zu sein. Damit sie mehr Aufmerksamkeit bekommt. Womöglich eine sich-selbst-erfüllende Prophezeiung? Oha.
Ein paar Jahre später hat das Mädchen nämlich auf einmal mit gleich mehreren Krankheiten zu kämpfen. Deshalb wünscht sie sich in „Letter to God (1983)“ nichts sehnlicher, als wieder gesund zu werden: „Please, God, I don’t want be sick“.
Im Intro verbandelt sich der Song mit Bruce Springsteens „I’m on Fire“, an dessen Rhythmus er durchgehend ziemlich nah dranbleibt. Für „Letter to God (1998) hat die R&B-Sängerin Aaliyah musikalisch Patin gestanden. Halsey möchte nur eins: weiterleben. Sie will unbedingt bleiben – für ihren kleinen Sohn: „And I don’t ever wanna leave him / But I don’t think it’s my choice“.
Bei „Lonely is the Muse“ hat die Gitarre Wumms, auch „Ego“ zieht es hin zum Rock. Die Cranberries-Sängerin Dolores O’Riordan mag hier als Referenz herhalten. Bei Zeilen wie „And I wake up tired, think I’m better off dead“ spricht Halsey im Song „Ego“ offen über Depressionen.
Wirklich großartig ist das von Fiona Apple inspirierte Lied „Arsonist“. Wenn der experimentelle Sound, angetrieben von HipHop-Beats, auf den mit Effekten überlagerten Gesang trifft, schlägt einen das Düstere völlig in seinen Bann. Hochklassiger Pop, der nie langweilig wird.
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