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Neuer Zürich-„Tatort“Haarige Angelegenheiten auf verschiedenen Köpfen

Ermittlungen im Friseur-Milieu sind mal was Neues. Der Schweizer Tatort behandelt die Sache ohne Haarspaltereien – nicht zuletzt geht es um Würde.

Szenenfoto mit Vanessa Tomasi (Elena Flury) aus dem Tatort „Rapunzel Foto: Salvatore Vinci/ARD

Märchenhaft geht es in „Rapunzel“, dem neuen „Tatort“ aus Zürich, natürlich nicht zu. Es wird grauenhaft. Aber Märchen thematisieren ja oft genug die Schattenseiten menschlichen Daseins – so gesehen passt der Filmtitel dann doch. Es geht um Haare und einen Mord.

Vanessa Tomasi (Elena Flury) glaubt, dass sie verfolgt wird und erzählt das ihrer Freundin Lynn (Elsa Langnäse), die in einem Club an der Bar arbeitet. „Wir haben echt Scheiße gebaut“, sagt sie zur Freundin. Doch die winkt ab, weiß doch keiner was. Dann tanzen sie und küssen sich.

Und Schnitt: In Großaufnahme ist zu sehen, wie jemand die Haare für eine Perücke verknüpft. Es folgen die Szenen, in denen Vanessa niedergeschlagen und in ein Taxi gezerrt wird. Sie kommt in einem Bunker auf dem Uetliberg zu Bewusstsein, als ihr ein Teil der langen blonden Haare abgeschnitten werden. Sie beißt dem Täter in die Hand und kann fliehen. Doch Vanessa wird mit dem Auto verfolgt, erfasst, fällt – und landet in einer Baumkrone. Verrenkt hängt die Leiche in der Luft, die noch vorhandenen Haare hängen herab. Ein schwer erträgliches Bild.

Am nächsten Morgen stehen die Kommissarinnen Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) und Tessa Ott (Carol Schuler) zusammen mit Staatsanwältin Wegenast (Rachel Braunschweig) vor der Toten. Allesamt tragen sie lange Haare. Man kann ahnen, was sie in diesem Moment denken.

Der Krimi

Zürich-„Tatort“, „Rapunzel“, So., 20.15 Uhr, ARD

Die verheimlichen doch alle was

Routiniert nimmt das eingespielte Duo – das hier ist ihr neunter Fall – die Ermittlungen auf. Bei der Toten handelt es sich um die Tochter des Star-Coiffeurs Marco Tomasi (Bruno Cathomas). Und der verhält sich seltsam, als er vom Tod seiner Tochter erfährt. Sie sollte mal das Geschäft übernehmen und deshalb eine Ausbildung in der Perückenmanufaktur von Aurora Schneider (Stephanie Japp) absolvieren. Auch Schneider benimmt sich merkwürdig, so wie Lynn, wenn die Kommissarinnen ihre Fragen stellen. Die verheimlichen doch alle was.

Ein klassischer Whodunit-Krimi, aber das ist völlig okay. Die unerwartete Geschichte ist gut von Regisseur Tobias Ineichen in Szene gesetzt, wirkt nicht überladen und ist schlüssig erzählt (Buch: Andrial Illien, Headautor der Serie „Davos 1917“).

Der Perückenmanufaktur wurde Menschenhaar gestohlen – ein Verlust von 100.000 Franken. Wir lernen, dass sich mit Haaren von höchster Qualitätsstufe, die nie chemisch behandelt, also etwa gefärbt wurden, das meiste Geld machen lässt. Die Ware stammt vor allem aus Indien von rituellen Opferhandlungen, bei denen die Haare abgeschnitten werden. Die Haare der Armen schmücken die Köpfe von Leuten, die es sich leisten können – diese Absurdität ist ein lukratives Geschäft. Ins Visier gerät deshalb ein Ehepaar, das mit Menschenhaar handelt. Das Business hat eine ausbeuterische und rassistische Komponente.

Doch die Sache ist ambivalent: Mit einer Perücke kann man „Würde zurückgeben“, sagt die Perückenmacherin. In einer Szene sieht Kommissarin Grandjean ein Mädchen, das gerade eine Perücke anprobiert. Sie hat eine Glatze, es ist ein krebskrankes Kind. Ein anderer Erzählstrang führt in die Welt von orthodoxen Juden, deren Frauen Perücken tragen, weil sie ihr echtes Haar nicht öffentlich zeigen dürfen. Diese Perücken werden aus Echthaar gemacht, das besonders teuer ist, weil es keinesfalls aus Opfergaben anderer Religionen stammen darf. Aus indischem Tempelhaar also nicht. Andernfalls wäre Betrug im Spiel.

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