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Neuer Wehrbeauftragter des BundestagsEin überaus gut vernetzter Reserveoffizier

Henning Otte wird neuer Wehrbeauftragter. Der CDU-Politiker trat bisher auch als Anwalt der Rüstungsindustrie in Erscheinung.

Immerhin ohne Salutieren: Henning Otte (CDU) nimmt die Glückwünsche seiner Fraktion zur Wahl als neuer Wehrbeauftragter entgegen Foto: Michael Kappeler/dpa

Berlin taz | Als Parlamentsarmee hat die Bundeswehr einen Beauftragten, der sich um die Belange der Soldatinnen und Soldaten kümmern soll. Neuer Wehrbeauftragte des Bundestags ist der CDU-Abgeordnete Henning Otte. Der 56-Jährige wurde am Mittwochabend mit großer Mehrheit zum Nachfolger der SPD-Politikerin Eva Högl gewählt.

Otte gilt als gut vernetzter Fachmann ohne Berührungsängste zur Rüstungsindustrie. Bis 2023 war Otte Vizepräsident des Förderkreis Deutsches Heer, einer Netzwerkorganisation, die Waffenherstellern unter anderem Zugang zu Bundestagsabgeordneten verschaffen soll.

Otte ist ein eingefleischter Berufspolitiker: Seit 20 Jahren sitzt er im Bundestag, seinen Wahlkreis im niedersächsischen Celle gewann er mehrfach direkt. In der Unionsfraktion war Otte verteidigungspolitischer Sprecher und seit 2022 zudem stellvertretender Vorsitzender des Verteidigungsausschusses. Bevor Otte sich zum Bankkaufmann ausbilden ließ und ein Bachelorstudium der Rechtswissenschaften abschloss, diente er beim Celler Panzerbataillon und ist bis heute Offizier der Reserve.

Damit dürfte Otte mehr als nur ein Grundverständnis dafür mitbringen, wo die Probleme in der Armee am größten sind – der Wehrbeauftragte gilt als der Anwalt der Soldatinnen und Soldaten. Otte muss sich jedoch auch die Frage gefallen lassen, inwieweit er seine künftige Tätigkeit nicht auch als die eines Anwalts der Rüstungsindustrie versteht. Vergangene Woche sagte er noch bei einer Veranstaltung des CDU-Wirtschaftsrats: „Die Distanz zwischen Bundeswehr und wehrtechnischer Industrie muss überwunden werden.“ Militär, Politik und innovative Unternehmen gehörten zusammen wie zwei Beine, „die gemeinsam die Sicherheit unseres Landes tragen“.

Otte folgt als Wehrbeauftragter der SPD-Politikerin Eva Högl, die dem Bundestag am Mittwoch noch ihren Jahresbericht für das Jahr 2024 vorgestellt hatte. Die Kernbotschaften aus dem Bericht lauteten: Die Bundeswehr schrumpft, wenn auch weniger schnell als zuvor – und die Truppe wird älter. Bei einer ersten Vorstellung ihres Berichts im März sagte Högl, bei den Soldatinnen und Soldaten gebe es eine wachsende Ungeduld darüber, dass trotz der Rüstungsmilliarden aus dem Sondervermögen die Kasernen weiterhin vor sich hin moderten und allerorten Aus­bil­de­r*in­nen und Material fehlten. Es gelte, den Einsatz in der Truppe attraktiver zu machen.

Otte sprach sich für die Wehrpflicht aus

Högl hatte in ihrer fünfjährigen Amtszeit zahlreiche Bundeswehr-Standorte besucht und sich mit den Soldatinnen und Soldaten unterhalten. Sie wäre wohl auch gerne weiterhin ihrer Tätigkeit nachgegangen, doch nach der Bundestagswahl hatte die Union das Vorschlagsrecht für den neuen Wehrbeauftragten.

Otte hatte sich im Gegensatz zu Högl zuletzt auch für die Wiedereinführung der Wehrpflicht ausgesprochen. „Die Aussetzung der Wehrpflicht widerspricht der aktuellen Gefährdungslage“, erklärte er noch Anfang April. Entsprechend dem CDU-Wahlprogramm hatte sich Otte für ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr stark gemacht, das auch als Dienst bei der Bundeswehr abgeleistet werden können sollte. Högl hatte bei der Vorstellung ihres Berichts dagegen mehrfach betont, dass die Bundeswehr wegen fehlender Kapazitäten gar nicht in der Lage sei, unbegrenzt Wehrpflichtige aufzunehmen.

Bei solchen gesetzgeberischen Fragen hat Otte indes künftig keinen direkten Einfluss mehr: Als Wehrbeauftragter des Bundestages muss er seinen Sitz im Parlament abgeben.

Die Transparenzinitiative Lobby Control rät dem Politiker zudem, seine Kontakte zur Rüstungsindustrie herunterzudimmen. Als Wehrbeauftragter des Bundestages müsse er „für die Interessen der Bundeswehr eintreten, und die sind nicht deckungsgleich mit denen der Rüstungsindustrie“, erklärte Aurel Eschmann von der Organisation gegenüber der taz. „Der Wehrbeauftragte sollte den Anschein eines Interessenkonfliktes gar nicht erst aufkommen lassen.“

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