Neuer Vorstoß des Verkehrsministers: Hü und Hott bei Dieselautos
Noch am Freitag wollte er Dieselstinker umrüsten lassen. Jetzt setzt Verkehrsminister Scheuer doch auf Anreize, neue Autos zu kaufen.
Fraglich, ob Andreas Scheuer da mitgehen kann: Der CSU-Verkehrsminister nuancierte nämlich am Montag einen alten Vorschlag erneut, damit weitere Fahrverbote für die Dieselstinker in deutschen Städten vermieden werden. Besitzer älterer Dieselautos sollen, so Scheuer im Unions-Hausblatt FAZ, mit „attraktiven Umstiegsprämien, wo richtig was geht“, zum Umstieg auf sauberere Autos bewegt werden. Die bisherigen Kaufprämien seien „offenbar nicht attraktiv genug“, die Hersteller müssten nachbessern. Im Kampf gegen Luftverschmutzung und Fahrverbote äußerte er erneut Bedenken gegen Hardware-Nachrüstungen an älteren Diesel-Pkw, schloss sie aber auch nicht aus. „Wir denken nach allen Seiten“, sagte er.
Noch am Freitag hatte Scheuer ganz anders geklungen – und ein „neues“ Konzept angekündigt, zu dem neben Anreizen für den Umstieg auf sauberere Autos auch „technische Lösungen“ für Bestandsfahrzeuge gehören könnten. Es soll bis Ende September vorgestellt werden. Das hatten Beobachter als Trendwende gesehen.
Zuvor hatte sich Scheuer nämlich stets gegen solche Hardware-Lösungen, also neue Katalysatoren, die den Stickoxid-Ausstoss senken, ausgesprochen: Aus seiner Sicht solle besser in neue Technik investiert werden. Doch nach einem Gespräch mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte Scheuer seine Haltung geändert – oder ändern müssen. In diesen Tagen jährt sich das Bekanntwerden der Abgasmanipulationen bei VW zum dritten Mal.
„Mehr als nur Absatz-Ankurbelung der Autoindustrie“
Hintergrund des Hü und Hott der Bundesregierung ist, dass Dieselfahrern in immer mehr Städten Fahrverbote drohen, weil die Luftverschmutzung das in der EU erlaubte Maß überschreitet. Erst vor kurzem hatte ein Verwaltungsgericht das Land Hessen dazu verdonnert, auch in Frankfurt/Main Fahrverbote für Diesel einzuführen. Ähnliche Urteile gab es bereits für Hamburg, Stuttgart und Aachen, weitere werden erwartet.
Verbraucherschützer mahnten, Umtauschprämien müssten mehr sein als ein Programm zur Absatz-Ankurbelung der Autoindustrie. „Alle Dieselbesitzer, die wegen Fahrverboten ihr Auto nicht mehr nutzen können, sollten ein Angebot von den Autoherstellern erwarten können“, sagte Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv). „Angemessen wäre hier der Rückkauf ihres Fahrzeuges zum Zeitwert zuzüglich 1.000 Euro.“
Umweltschützer kritisierten, der Vorschlag zeige die „Hilflosigkeit“ des Verkehrsministers. „Mit der Umstiegsprämie wird Andreas Scheuer keine Fahrverbote verhindern“, sagte BUND-Verkehresexperte Jens Hilgenberg. „Das Konzept der Umstiegsprämien klingt, als sei es dem Minister von der Autoindustrie ins Hausaufgabenheft diktiert worden.“
Unklar ist, wie die Autobauer dazu bewegt werden sollen, sich über die laufenden Software-Updates an 6,3 Millionen Autos und bereits angebotenen Umstiegsprämien hinaus zu beteiligen. „Wie das genau gelingt, wird Teil dieses Konzepts sein“, sagte ein Sprecher des Verkehrsministeriums.
Jetzt Hardware-Nachrüstung für Scheuer doch falsch
„Hardware-Nachrüstung halte ich für den falschen Weg“, sagte Scheuer am Montag erneut bei einem Besuch im brandenburgischen Schönewalde. Eine Ausrüstung mit Katalysatoren sei selbst bei den insgesamt 5,5 Millionen Fahrzeugen der Euro-5-Norm nur bei etwa zwei Millionen möglich. Dies sind übrigens Zahlen, die das SPD-geführte Umweltministerium anzweifelt. Scheuer betonte, er setze vor allem auf Anreize zum Kauf neuer Autos. „Die Hersteller sind in der Pflicht“, sagte Scheuer. Sie hätten die Debatte durch Manipulationen mitausgelöst. Der Steuerzahler solle nicht belastet werden.
Ein Sprecher des Umweltministeriums betonte, dass Prämien nur dann sinnvoll seien, wenn die Autofahrer nicht nur neuere, sondern auch im Alltag tatsächlich sauberere Autos kauften. Zu einer möglichen Größenordnung äußerten die Ministerien sich am Montag nicht. (mit dpa/afp)
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