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Neuer Skandal in ÄgyptenDer Foltertote im Kanal

Erneut kam auf einer Polizeiwache in Alexandria ein junger Mann ums Leben. Dank des Internets lassen sich solche Fälle aber nicht mehr vertuschen.

Wohl nicht das letzte Mal auf der Straße: Am 25. September riefen Demonstranten in Alexandria Anti-Polzei-Parolen und hielten Fotos von Khaled Said hoch, der wie Shaaban Opfer von Polizeigewalt wurde. Bild: dapd

KAIRO taz | "Folter und Misshandlungen sind auf ägyptischen Polizeistationen systematisch." Ein Satz, der sich in vielen Menschenrechtsberichten über das Land am Nil wiederfindet. Was das im Einzelnen bedeutet, macht ein neuer Fall deutlich, der seit wenigen Tagen die ägyptische Öffentlichkeit bewegt.

Es war sein vor der Polizeiwache in Alexandria geparktes Motorrad, das der Familie Ahmad Schaabans verriet, dass der 19-Jährige dort festgehalten wurde. Drinnen gaben die Offiziere vor, nichts von dessen Aufenthalt zu wissen. Drei Tage lang fragte die Familie dort nach. Da wusste sie noch nicht, dass der Name ihres Sohnes und Bruders für den neuesten Folterskandal in Ägypten stehen wird.

Erst am dritten Tag bekam davon die Mutter eine Ahnung, als sie, wie die Tageszeitung al-Badil inzwischen berichtete, einen Offizier bestach, der ihr die Auskunft gab, dass ihr Sohn sich in der Wache aufhalte, aber übel zugerichtet sei. Kurz darauf erreichte die Familie ein Anruf. An einem Kanal in Alexandria habe man Ahmads Jacke und das Handy gefunden. Dann kam ein Brief des städtischen Leichenhauses, in der die Familie aufgefordert wurde, einen Toten zu identifizieren. Dessen Anblick war schockierend. "Seine Nägel an den Zehen waren abgezogen. Er hatte einen langen Schnitt am Arm. Weitere auf seinem Bauch und seinem Nacken. Er hatte überall Anzeichen, geschlagen worden zu sein", erzählt Walid Abdel Rasaq, ein Freund des Opfers.

Er tut das in einem Video, das der in Alexandria lebende junge ägyptische Internetjournalist Mohamed Abdelfattah aufgenommen hat. Er hatte die Familie besucht, als er über Freunde von dem Fall erfuhr. In dem über fünf Minuten langen Film, den Abdelfattah auf die Internetplattform YouTube gestellt hat, legt die Familie Zeugnis ab. Das Video wurde inzwischen über 40.000 Mal angeklickt. Über Facebook und Twitter verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer, schon Tage bevor die offiziellen Medien begannen, über den Fall zu berichten.

Ahmad war laut dem Video auf dem Weg zu einer Hochzeit an einer Straßensperre von der Polizei aufgegriffen worden. Als er sich nicht ausweisen konnte, geriet er mit den Polizisten in einen Streit, die ihn zusammen mit seinem Freund Farag mitnahmen, so die Version der Familie. Inzwischen hat das Innenministerium nach tagelangem Schweigen eine Gegenversion veröffentlicht. Die beiden sollen einer Frau die Handtasche gestohlen haben, wurden von Passanten verfolgt, als, so die Polizei, Ahmad in den Kanal fiel und ertrank. Ahmad Qutb, ein Anwalt der Familie, fordert in dem Video eine Autopsie.

Doch nun, erzählt Mohamed Abdelfattah am Telefon, haben sich die Behörden darauf verlegt, die Familie einzuschüchtern, um sie dazu zu bringen, den Fall nicht vor Gericht zu bringen. Ahmads Onkel Aschraf, der in dem Video offen die Regierung und den ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak angreift, wurde am Montag für mehrere Stunden festgenommen. Als er wieder freikam, sagte er nur kurz, dass er unter enormem Druck stehe.

Für die Regierung besonders peinlich: Es ist bereits das zweite Mal, dass die Sidi-Gabr-Polizeiwache in Alexandria in die Schlagzeilen geriet. Erst im Sommer hatten zwei Beamte derselben Wache laut Augenzeugen den jungen Ägypter Chaled Said auf offener Straße zu Tode geprügelt. Auch dieser Fall wurde zunächst von den Bloggern und über Facebook verbreitet, damals mit einem Foto der vollkommen entstellten Leiche. Am Ende konnte dieser Fall von den Behörden nicht mehr vertuscht werden. Zwei Polizisten stehen inzwischen in Alexandria vor Gericht. Das, mutmaßt Walid, der Freund von Ahmad, sei auch der Grund, warum sich die Polizisten diesmal anders verhielten und die Leiche Ahmads in den Kanal geworfen haben.

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