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Neuer Sex-Skandal bei ErgoWenn das Herr Kaiser wüsste

Von 2009 bis 2011 haben Vertreter der Hamburg-Mannheimer Reisen in einen jamaikanischen Swingerclub organisiert. Dies ergab die Konzernrevision.

Die umstrittenen Vertreter-Reisen wurden dezentral organisiert und lediglich nach Einhaltung formaler Kriterien geprüft. Bild: dpa

DÜSSELDORF dpa | Beim Versicherungskonzern Ergo reißen die Affären um Lustreisen auf Kosten des Unternehmens nicht ab. Nachdem der zweitgrößte deutsche Erstversicherer erst vor einem Jahr durch eine Sex-Sause für Versicherungsvertreter in einer Budapester Therme in die Schlagzeilen geraten war, brachte die Konzernrevision nun weitere Fälle ans Tageslicht.

Demnach haben Vertreter bei der Konzerntochter Hamburg-Mannheimer in den Jahren 2009, 2010 und 2011 Reisen in einen Swingerclub auf Jamaika organisiert. Ergo-Sprecher Alexander Becker bestätige am Donnerstag einen entsprechenden Bericht im Handelsblatt vom gleichen Tag. Doch diese Reisen seien nicht vergleichbar mit der Budapester-Affäre, beteuerte der Sprecher.

Das Handelsblatt berief sich auf einen Ergo-Revisionsbericht vom 24. Juni 2011, wonach allein bei einer Reise 2010 Gesamtkosten in Höhe von mehr als 75 000 Euro anfielen. 2005 soll außerdem ein Bordellbesuch auf Mallorca vom damaligen Vertriebschef gesponsert worden sein.

Die Sexparty in Budapest mit Prostituierten als Belohnung für Versicherungsvertreter sei zwar in ihrem Umfang einmalig, aber die Berichte der Revision zeigten, dass Sex-Reisen offenbar als ein gängiges Belohnungsinstrument eingesetzt worden seien, schrieb die Wirtschaftszeitung.

Locker abgerechnet

Zugleich dokumentierten sie, wie locker käuflicher Sex abgerechnet wurde. Bei Ergo hieß es unterdessen, dass der Bordellbesuch auf Mallorca und die Ausflüge in den berüchtigten Swingerclub Hedonism II auf Jamaika nicht mit der Budapester Affäre vergleichbar seien. Unabhängige Vermittler hätten die Jamaika-Reisen in Eigenregie organisiert, sagte Becker.

Dafür habe es Zuschüsse gegeben. Zur Mallorca-Reise sagte er: „Es gab seinerzeit Hinweise, dass nach dem Programm noch in ein Bordell eingeladen worden sein soll.“ Dies sei am Ende einer Untersuchung aber nicht eindeutig gewesen. „Wir konnten nicht aufklären, was dort passierte.“ Ganz neu sind die Berichte über die Lustreisen allerdings nicht.

Mitte Juli 2011 hatte das Nachrichtenmagazin Der Spiegel schon berichtet, dass ein Geschäftsstellenleiter der Ergo in Frankfurt seinen Turboverkäufern was Gutes tun wollte und sie zu einer großen Sause ins Swinger-Hotel auf Jamaika eingeladen habe.

Das Geld dafür sei aus einem Fonds gekommen, den Ergo gefüllt habe und mit dem besonders erfolgreiche Verkäufer belohnt worden seien. Ergo habe dem Leiter ein Rüge erteilt und die Zuschüsse zurückgefordert.

Unentschuldbares Fehlverhalten

Dennoch: Für Vorstandschef Torsten Oletzky sind die weiteren Lustreisen ein Schlag ins Kontor – hatte er doch nach Bekanntwerden der Budapester Sex-Party hart daran gearbeitet, das Image des Versicherers aufzubessern. Er sprach damals von einem unentschuldbarem Fehlverhalten.

Aber man dürfe nicht tausende von Beratern und Mitarbeitern in Mithaftung nehmen. Ein neuer sogenannter Compliance-Bereich wurde geschaffen, der sich um die Einhaltung von Verhaltensregeln kümmern sollte, vor allem auch für die selbstständigen Vermittler.

Wie der Ergo-Sprecher weiter sagte, seien die umstrittenen Reisen dezentral organisiert und lediglich nach Einhaltung formaler Kriterien geprüft worden. Die Entscheidung über die Auswahl der Hotels sei von selbstständigen Vermittlern getroffen worden.

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8 Kommentare

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  • F
    Falkenauge

    In einem anderen Artikel heißt es u. a.: "Die eigenen Revisionsberichte stellen damit nun auch die Glaubwürdigkeit des Vorstandsvorsitzenden selbst in Frage. Etwas Schlimmeres hätte Oletzky kaum widerfahren können, plant er doch die Zusammenlegung von fünf Vertriebsorganisationen, die zu einem Abbau von 1350 Stellen führen wird. So verliert Oletzky jetzt auch das Vertrauen der eigenen Mitarbeiter." --------------------

    Tja, jeder der auch nur einen Funken Anstand hat, würde jetzt seinen Hut nehmen, Kollege Oletzky aber plant wahrscheinlich schon die nächste Sause.....

  • Y
    yberg

    oh gott,was soll den das sensatiönchen.

     

    nicht nur bei der west lb war es üblich die girlies beim chartern eines flugzeugs als stewardessen mitzubestellen und mitbezahlen zu lassen.

     

    ein service den auch politiker kostenlos in anspruch nehmen auch exkanzler.

     

    und wer glaubt,daß heutzutage in den höheren etagen des wirtschafts- und politikbetriebs moralischer gelebt wird denkt weltfremd.

     

    aus verständlichen gründen wird nur das alimentierte rudelbumsen der niederen stände gebrandmarkt.

  • D
    D.J.

    Wenn ich das richtig verstanden habe, geht es ja nicht um die Augaben an sich - die waren etwa in der Höhe vorgesehen. Der Pseudoskandal ergibt sich aus der Art der Vergnügung. Leute, wir sind hier weder in Schweden, noch in den USA oder Saudi-Arabien oder anderen sexuell repressiven Staaten. Alles ein ganz legaler und normaler Vorgang unter Erwachsenen; ein echter Schaden scheint auch für die Verbraucher nicht entstanden zu sein. Also was soll die künstliche Aufregung?

  • A
    auweia

    Da staunt der Laie, nur der Fachmann wundert sich nicht. Ergo muss aufpassen, dass solche Skandale möglichst schonungslos, umfassend und schnell aufgedeckt werden. Über einen längeren Zeitraum immer wieder von solchen Sex-Belohnungspraktiken bei Ergo zu lesen, würde sicher nicht so gut ankommen bei den (Noch-)Bestandskunden und sicher auch den einen oder anderen potentiellen Kunden abschrecken.

  • A
    auweia

    Da staunt der Laie, nur der Fachmann wundert sich nicht. Ergo muss aufpassen, dass solche Skandale möglichst schonungslos, umfassend und schnell aufgedeckt werden. Über einen längeren Zeitraum immer wieder von solchen Sex-Belohnungspraktiken bei Ergo zu lesen, würde sicher nicht so gut ankommen bei den (Noch-)Bestandskunden und sicher auch den einen oder anderen potentiellen Kunden abschrecken.

  • N
    Nordwind

    Nun ja, wer einen Raffelhüschen in seine Dienste stellt geht halt auch in den Puff.

  • HL
    Hauke Laging

    Diese Empörung ist lächerlich. Sogar nach offiziellen Schätzungen gibt es (nicht-hauptberufliche mitgezählt) 400.000 (i.W.: vierhundertausend) Prostituierte, täglich 1,2 Millionen (explizit, haha) bezahlte Sexkontakte und 15 Milliarden Euro Jahresumsatz.

     

    Und dieses puffverliebte Land empört sich darüber, dass Unternehmen Sex sponsorn? Das kann doch nicht ernst gemeint sein. Kritikwürdig wäre (ich kann nicht beurteilen, ob das der Fall war) lediglich, wenn Mitarbeiter damit konfrontiert wurden, die daran kein Interesse hatten.

     

    Aber die Empörung der Ergo-Oberen orientiert sich natürlich nicht daran, was vernünftig ist, sondern lediglich an der Reaktion der Kundschaft. Aber nach allem, was man so hört, fällt die sehr bescheiden aus. Vermutlich die übliche Fanatikerquote.

     

    Was weiß eigentlich der abstinente Teil Deutschlands darüber, wie gehobene (und damit meine nich nicht: abgehobene) Prostitution aussieht und vie verbreitet sie ist? Assoziieren diese Bürger die Branche allein mit dem Straßenstrich? Wie steht es denn in dieser wichtigen Frage um den Informationsauftrag der taz? ;-)

  • T
    Thorsten

    So what ...?

     

    Ob die ERGO als Incentive für Mitarbeiter oder Handelsvertreter eine Ballermannreise, Museumstour oder Puffbesuch auslobt, kann dem Nicht-Biedermeier/-Spießer/-Moralapostal doch völlig egal sein. Allenfalls bleibt die Frage, ob überhaupt Incentives aus dem Geld der Kunden finanziert werden sollten. Aber das wird der Markt schon regeln, wenn andere Versicherer gleiches günstiger anbieten können. Genauso gut kann man sich über andere Ausgaben aufregen, die dazu dienen, den Wohlfühlfaktor der Mitarbeiter zu erhöhen.