Neuer Regierungschef für Serbien: Ein „Medizinmann“ soll es richten
Serbiens Präsident Vučić benennt den Endokrinologen Djuro Macut als Premier. Er soll helfen, Proteste und renitente Professoren in den Griff zu bekommen.
Interessant ist jedoch, für wen sich Vučić entschieden hat, um seine Anweisungen durchzusetzen. Derzeit herrscht die größte politische Krise, seit der Autokrat vor dreizehn Jahren die Macht ergriffen hat. Der vorherige Regierungschef von Vučićs Gnaden war unter dem Druck von Studentenprotesten vor zwei Monaten zum Rücktritt gezwungen worden.
Der Auserwählte heißt Djuro Macut und ist ein angesehener Endokrinologe, Chef der Abteilung für Endokrinologie, Diabetes und Stoffwechselstörung an der Belgrader Universitätsklinik, Professor an der Medizinischen Fakultät in Belgrad, Gastprofessor in Griechenland und Nordmazedonien sowie aktiv in der Europäischen Gesellschaft für Endokrinologie.
Alles in allem hatte er bisher eine tadellose berufliche Laufbahn. Ihn wird das Parlament, in dem Vučić die absolute Mehrheit kontrolliert, ins Amt wählen. „Ich war nie Mitglied einer politischen Partei“, erklärte der Arzt zu Jahresbeginn. Alles, was er erreicht habe, verdanke er nur sich selbst.
Mit sauberer Weste
Genau so einen braucht Vučić an der Spitze der Regierung. Jemanden mit einer sauberen Weste, zu einem Zeitpunkt, an dem die regierende Garnitur wegen endemischer Korruption massiv an Popularität verliert. Alle Minister wird der Neue ja nicht austauschen können.
Auch Vučićs regierende Serbische Fortschrittspartei (SNS) büßte deshalb massiv an Popularität ein. Als eine Art Rebranding seiner Machtstruktur, um sich von der zum Teil verhassten SNS zu distanzieren, gründete der Staatschef unlängst die Bewegung für Volk und Staat, der „alle anständigen Patrioten“, „die klügsten Köpfe Serbiens“ beitreten sollen. Prof. Dr. Macut war einer der Initiatoren der eigenartigen Organisation, die neben der SNS auch Vučić als ein paralleles Instrument der Machtausübung dienen soll.
Notfalls könnte er nun auch aus der SNS aussteigen, die Bewegung als eine politische Partei registrieren und auf deren Flügeln mit den treuesten Mitläufern seine politische Laufbahn fortsetzen. Um das Image des Regimes aufzupolieren, läuft in Serbien derzeit eine relativ breit angelegte Aktion gegen Korruption, die auch SNS-Mitglieder trifft, allerdings den politisch „bedeutungslosen Kleinkram“. Das führt zu Unzufriedenheit in der Partei, deren Mitglieder sich bisher für vom Gesetz unantastbar hielten.
Macut ist auch deshalb geeignet, den Ministerpräsidenten zu spielen, weil es das Regime seit vier Monaten nicht schafft, den Protest der Studenten kleinzukriegen. Sie blockieren alle serbischen Universitäten und sind der treibende Motor des Aufstandes gegen Vučić.
Böses Märchen
Deshalb geht das Regime nun gegen Universitätsprofessoren vor, die sich mit großer Mehrheit hinter ihre Studenten gestellt haben. Gleichgeschaltete Medien verbreiten das böse Märchen von einem „kriminellen Professorenklan“, Regierungsvertreter bezeichnen etwa den Rektor der Belgrader Universität, Vladan Dokić, als „Antlitz des Bösen“. Regimenahe „Analysten“ entlarvten ihn als einen britischen Spion.
Auch Vučić selbst sparte nicht mit Beleidigungen auf Dokićs Kosten und der Dekanin der Philosophischen Fakultät in Niš Natalija Jovanović, die er als eine antiserbische „Kriminelle“ und als Teil der „Dreifaltigkeit des Bösen“ bezeichnete. Daraufhin wurde Jovanović von einer psychisch labilen Frau auf der Straße angegriffen und mit einem Messer an der Hand verletzt.
Um ungehorsame Professoren zu disziplinieren, werden ihnen auch ihre Gehälter nicht mehr ausgezahlt. Nicht einer der Parteisoldaten von Vučić, sondern Professor Macut soll nun als einer der „guten“ Professoren seine rebellierenden Kollegen in den Griff bekommen. Das wird wohl seine wichtigste Aufgabe als Ministerpräsident sein.
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