Neuer Parlamentspräsident in Venezuela: Die Uhr zurückgedreht
Die bisherige Opposition Venezuelas wählt einen Politiker aus der Zeit vor Chávez. Ein echter Neuanfang ist das nicht.
Die AD war vor der Ära Chávez regelmäßig an der Regierungsmacht beteiligt. Ihr international bekanntester Politiker, Carlos Andrés Pérez – unter Willy Brandt einst Stellvertretender Vorsitzender der Sozialistischen Internationale – war Präsident, als es 1989 zum „Caracazo“ kam, zu gewaltsamen Aufständen gegen eine vom Internationalen Währungsfonds durchgesetzte Sparpolitik.
Insgesamt 27 Jahre lang gehörte Ramos Allup bereits dem Kongress an. Er ist ein Traditionspolitiker aus der Vor-Chávez-Zeit, verkörpert weniger einen Neuanfang als vielmehr einen reinen Rollback. Auf Twitter und in Reden unterstreicht er stets die Hauptforderung, die die Opposition mit ihrer Mehrheit im Parlament durchsetzen will: die Freilassung der Gefangenen, die die Opposition als politische Gefangene einstuft. Für ihn allerdings gehören da auch diejenigen dazu, die seit dem gescheiterten Putschversuch gegen den damaligen Präsidenten Hugo Chávez im Gefängnis sitzen.
Auch wenn Ramos immer wieder die Rückkehr zu demokratischen Gepflogenheiten anmahnt – er wird kaum dazu beitragen, dass sich das stark polarisierte Land versöhnt.
Schon bei der konstituierenden Sitzung an diesem Dienstag dürfte das klar werden. Als Teil der MUD-Führung wird Ramos darauf bestehen, dass alle 112 gewählten MUD-Abgeordneten ihr Mandat auch antreten – trotz des Richterspruchs aus der vergangenen Woche, nach dem die Opposition doch nicht über eine Zweidrittelmehrheit verfügen würde.
Wie diese erste Sitzung verläuft, wird den Ton dafür setzen, wie sich die Machtteilung zwischen Parlament und Regierung gestaltet. Und wie Ramos sein Amt versteht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Außenministertreffen in Brüssel
„Europa spricht nicht die Sprache der Macht“