Neuer Landesvorsitz din Niedersachsen: Friedenssuche bei der Linken
Die niedersächsische Linke hat Franziska Junker und Thorben Peters zu ihren neuen Vorsitzenden gewählt. Sie übernehmen eine arg gebeutelte Partei.
Sie übernehmen eine Partei, die arg gebeutelt ist – durch das schlechte Abschneiden bei der Landtagswahl, wo sie es erneut nicht über die 5-Prozent-Hürde schaffte, aber auch durch lang anhaltende innerparteiliche Konflikte, nicht erst seit dem Abgang des langjährigen Übervaters Diether Dehm.
Mit dem Prockeln in alten Wunden wollen sich beide nicht weiter aufhalten: Kein Wort zum möglichen Parteiausschluss Dehms, „das Verfahren läuft ja noch“. Auch andere Anwürfe aus den Delegiertenreihen, die von Mobbing und schlechtem Umgang miteinander sprachen, wurden von der Parteitagsregie rigoros abmoderiert. Schluss mit dem Lagerdenken, nach vorne schauen, sich auf die Kernbotschaften konzentrieren, lautet die Parole.
Dafür stehen die beiden neuen Vorsitzenden auch mit ihren Erwerbsbiographien: Franziska Junker aus Leer bezeichnet sich selbst als „Hafenarbeiterin“, ist aber schon seit Jahren freigestellte Betriebsrätin und erfahrene Gewerkschafterin.
Unterstützung durch vier Vertrauenspersonen
Thorben Peters aus Lüneburg ist Sozialarbeiter und aktuell Leiter der „Herberge Plus“, einer Obdachlosenunterkunft der Diakonie. Mit Konflikten umgehen zu müssen, dürften also beide gelernt haben. Dass soziale Fragen und die Verankerung im vorpolitischen Raum ihnen am Herzen liegen, glaubt man auch sofort.
Innerparteilich werden sie dabei künftig von vier Vertrauenspersonen unterstützt, an die man sich in Fällen von Diskriminierung, Mobbing oder sexueller Belästigung wenden kann – eine Reaktion auf die verunglückte Aufarbeitung von Me-too-Fällen innerhalb anderer Landesverbände der Partei, mit der Niedersachsen allerdings ziemlich spät dran ist.
Aber die beiden neuen Vorsitzenden möchten sich ja ohnehin lieber den Problemen da draußen widmen. Neben den sozialen Fragen gehört in ihren Augen das Friedensthema zum Wesenskern der Partei. Zu Sahra Wagenknecht und ihrem Manifest für Frieden halten sie aber vorsichtig Distanz.
„Viele Parteimitglieder fühlen sich da wahnsinnig unter Druck, weil jeder der gegen Waffenlieferungen ist, gleich als Russland-Versteher und Putin-Freund verunglimpft wird“, sagte Thorben Peters am Rande des Parteitages am Wochenende.
Uneins zu Rußlands Krieg
Die Partei habe in Wirklichkeit kluge und differenzierte Positionen erarbeitet, aber das dringe in der polarisierten öffentlichen Debatte ja kaum durch, beklagte er außerdem. So ganz einig ist man sich da allerdings auch nicht: Im Leitantrag, der auf dem Parteitag verabschiedet wurde, war zunächst nur von einem Drängen auf eine Verhandlungslösung die Rede.
Erst in einem Änderungsantrag – an dem Thorben Peters mitgeschrieben hat – fand der Angriffskrieg Putins, das Existenzrecht der Ukraine und ein russischer Truppenabzug als Vorbedingung für Verhandlungen Erwähnung. Das blieb nicht unwidersprochen: Wenn man solche Vorbedingungen aufstelle, könne man das Verhandeln auch gleich sein lassen, hieß es von einigen Genoss*innen. Am Ende blieben sie mit dieser Meinung aber in der Minderheit.
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