Neuer Garagenpop: Raus aus der Komfortzone
Unermüdlich gegen Hörererwartungen: Der junge kalifornische Gitarrentüftler Ty Segall und sein aktuelles Soloalbum „Sleeper“.
Ist die Rede von Ty Segall, dem 26-jährigen kalifornischen Garagenrock-Musiker, gelangt man schnell an den Punkt, sich über seine immens rasante Produktionsweise zu wundern.
Seit 2005 hat Segall unzählige Alben mit Lo-Fi-Garagenbands wie den Sic Alps eingespielt und eine Handvoll Soloalben veröffentlicht. Für ihn sei Musik immer ein Schritt aus der Komfortzone, sagt Segall.
Das lässt sich mit „Sleeper“ nachvollziehen, seinem neuen Album. Statt schwindelerregender Tonstrudel, aufheulender Verzerrer und rabaukiger Attitüde dominiert nun eine ruhige akustische Gitarre. Auch wenn im Oktober das Debütalbum seiner Proto-Metalband Fuzz erscheint, Segall durchkreuzt konstant Hörerwartungen. Und genau deshalb hat auch seine Singer-Songwriter-Version ihren Reiz. „Oh sleeper/ My dreamer/ I dream a dream for you“, heißt es im titelgebenden Track. Das Motiv des Traums legt sich wie ein Schleier über das gesamte Album.
Ty Segall, „Sleeper“ (Drag City/Rough Trade).
Meistens nur von der Gitarre und manchmal einer leisen Geige oder ein paar Trommeln begleitet, konzentriert Segall sich auf die Gesangsmelodien und die rohe Kraft simpler Riffs.
Wie "Get it on"
Deutlich wird so ein Interesse am eingängigen Popsong, insbesondere an psychedelischem Sixties-Pop, wie ihn John Lennon einst perfektionierte. Bei „Sleeper“ klingt sogar bisweilen der frühe Marc Bolan durch. „Sweet C.C.“ heißt ein Track, der wie eine Garagen-Version von T. Rex’ Smash-Hit „Get it on“ anmutet.
Segalls neue Songs sind nicht nur Pop, sie offenbaren auch eine emotionale Tiefe, die man von seiner Musik gar nicht gewohnt ist. Er skizziert einen leeren Raum, in dem das Text-Ich allein im Schatten sitzt und über Abschied sinniert.
Diese introspektive Haltung hat der Kalifornier in Interviews mit dem Tod seines Stiefvaters in Zusammenhang gebracht. Jedoch, auf seinen Konzerten pogt das Publikum auch zu seinen neuen Tracks. „Hast du deine Musik einmal veröffentlicht, gehört sie dir nicht mehr“, sagt Ty Segall. „Und das ist auch das Tolle daran.“
Ty Segall, „Sleeper“ (Drag City/Rough Trade)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen