Neuer Ärger um Stuttgart 21: Subventionsbetrug angezeigt
Wie viel kann S21 leisten? Das Bundesverkehrsministerium soll „ambitioniert“ kalkuliert und sich so in Brüssel Millionen Zuschüsse erschlichen haben.
BERLIN taz | Neben den wachsenden Kosten droht der Bundesregierung beim umstrittenen Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 jetzt auch juristischer Ärger: Der ehemalige Stuttgarter Richter und Mediator Christoph Strecker hat bei der Staatsanwaltschaft gegen das Bundesverkehrsministerium Strafanzeige wegen des Verdachts auf Subventionsbetrug erstattet.
Die Bundesregierung soll sich 114 Millionen Euro Zuschuss der Europäischen Union für den umstrittenen Tunnelbahnhof durch falsche Angaben zur Leistungsfähigkeit erschlichen haben, schreibt er in der Anzeige, die der taz vorliegt..
Der Hauptvorwurf Streckers lautet, dass die EU-Subvention von 114 Millionen Euro ausdrücklich für eine Maßnahme zur Leistungssteigerung des Stuttgarter Hauptbahnhofs beantragt und genehmigt worden sei.
Tatsächlich aber werde die Leistungsfähigkeit des geplanten Tunnelprojekts um mindestens ein Drittel unter derjenigen des bestehenden Bahnhofs liegen. Das zeigten zahlreiche Analysen und Planungsunterlagen.
Doppelte Kapazität?
Als Beweis hat der Jurist den Berliner Ermittlern den Subventionsantrag der Bundesregierung aus dem Jahr 2007 geschickt. Darin heißt es nicht nur, der unterirdische Durchgangsbahnhof werde „eine wesentlich höhere Kapazität“ haben als der bestehende Kopfbahnhof; später wird gar eine „doppelte Leistungsfähigkeit“ versprochen. Diese Begründung sei „unrichtig und irreführend im Sinne des § 264 Strafgesetzbuch“, erklärt Strecker.
Denn tatsächlich werde der geplante Bahnhof mit seinen acht unterirdischen Durchgangsgleisen weniger Züge abfertigen können als der bestehende Kopfbahnhof mit 16 Gleisen. Die Bahn selbst gibt die Kapazität von Stuttgart 21 mit 49 Zügen pro Stunde an. Selbst diese Zahl, die von Kritikern bezweifelt wird, würde aber vom bestehenden Bahnhof übertroffen, heißt es in der Anzeige: Dieser könne „zweifelsfrei“ mehr als 50 Züge pro Stunde bewältigen.
Als Beleg verweist Strecker auf ein Gutachten der Münchner Verkehrsberater Vieregg-Rössler von Oktober 2011, wonach der bestehende Bahnhof bei guter Qualität bis zu 56 Züge pro Stunde bewältigen könne. Beigefügt ist auch das Protokoll der öffentlichen Schlichtungsrunden zu S 21 mit der Aussage von Egon Hopfenzitz, der von 1981 bis 1994 den Stuttgarter Bahnhof leitete. Er bestätigt, dass am bestehenden Bahnhof zeitweise sogar 66 Züge pro Stunde abgefertigt wurden.
Dass Stuttgart 21 tatsächlich 49 Züge schafft, bestreitet Strecker zudem unter Verweise auf bahninterne Planungen, die von lediglich 32 bis 35 stündlichen Zügen ausgingen. Dies wies die Bahn auf Anfrage zurück.
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