piwik no script img

Neuen Job im Amt eingetütetInnenminister wird Lobbyist

Schleswig-Holsteins Innenminister Andreas Breitner tritt zurück. Sein Nachfolger wird Stefan Studt, der bisherige Chef der Staatskanzlei.

Verzichtet trotz neuem Job aufs fröhliche Pfeifen: Andreas Breitner wird Lobbyist. Bild: dpa

KIEL taz | Es hat sie eiskalt erwischt: Während Ministerpräsident Torsten Albig vorsichtig von „Enttäuschung“ sprach, wurde sein Parteifreund, der SPD-Landes- und Landtagsfraktionschef Ralf Stegner, deutlich: „Unverantwortlich“ sei der Rücktritt des Innenministers Andreas Breitner, die Landtagsfraktion – sprich: Stegner – habe „keinerlei Verständnis“ dafür.

Tatsächlich bringt die unverhoffte Kündigung Breitners, der ab Mai 2015 als Lobbyist für den Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmer tätig sein wird, die Regierung nur zehn Tage nach dem Rücktritt von Bildungsministerin Waltraud Wende erneut ins Trudeln.

Torsten Albig hat schnell reagiert und mit Stefan Studt, bisher Chef der Staatskanzlei, bereits Freitag einen neuen Innenminister bestellt. Ob ihm das den Ärger der Basis erspart, wird der SPD-Landesparteitag am Sonnabend zeigen. Er teile die Meinung, dass der Zeitpunkt extrem ungünstig gewählt sei, sagte Andreas Breitner: „Das beschäftigt mich total, darum sitze ich hier auch nicht fröhlich pfeifend.“ Aber der Zeitpunkt sei vom künftigen Arbeitgeber bestimmt worden.

Die Verhandlungen liefen seit Mitte August, ohne dass Breitner gegenüber Stegner, mit dem er seit acht Jahren als stellvertretender Parteivorsitzender zusammenarbeitet, oder gegenüber Albig etwas verlautet hatte. „Das war mein kleiner Egoismus – ich wollte die Verhandlungen nicht gefährden“, erklärte Breitner. Als Grund für den Wechsel nannte er seine drei Kinder und die Zeit, die das Ministeramt koste: „Im Kabinett bin ich ersetzbar, in der Familie nicht.“

Der gelernte Polizist und spätere Rendsburger Bürgermeister machte nicht nur optisch im Kabinett eine bella figura. Breitner zählte zu den Stützen im Kabinett, auch wenn er aneckte – etwa weil er in Sachen Vorratsdatenspeicherung seine Partei rechts überholte oder in der Affäre um die Kieler Oberbürgermeisterin Susanne Gaschke eine Nötigungsklage gegen einen Parteifreund losließ. Sogar als Kronprinz wurde er gehandelt.

Stefan Studt, den Albig „einfach toll“ findet, muss sich unter anderem um die Unterbringung von Flüchtlingen und den kommunalen Finanzausgleich kümmern, zwei der Themen auf Breitners bisherigen Schreibtisch. Auch Wohnungsbau-Fragen stehen an – das Thema des künftigen Lobbyisten Breitner.

Die Opposition und sogar die eigene SPD stellen ein „Geschmäckle“ bei dem Wechsel fest. Andreas Breitner selbst sieht das nicht: Immerhin hat er eine Übergangszeit von sieben Monaten und damit viel Zeit für die Familie.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!