Neue deutsche Wörter: Verpeilte Chicas mit Mütterrente
In den Duden wurden 5.000 neue Begriffe aufgenommen. Unser Autor hat sie gewürdigt und immerhin 108 von ihnen in diesem Text untergebracht.
Alle drei bis fünf Jahre lösen sich die karrieregeilen Honks vom Duden aus ihrer Prokrastination und taggen neue Wörter. Mögliche Kandidaten für eine offiziöse Aufnahme in die deutsche Sprache werden elektronisch getrackt, per Datenbrille am Tablet. Das geht theoretisch auch beim Couchsurfing in Hagen oder Salzgitter.
Ein wenig facebooken, nebenbei Instagram checken, bei Tinder reinschauen und das Darknet durchzappen – da kommt schon einiges an einbürgerungswürdigen Neologismen, Komposita, Anglizismen und sogar Danismen (wie „hygge“!) zusammen. 5.000 waren es diesmal, alles germanistisch gegengecheckt und ab sofort im Buchladen physisch downloadbar. Anlass für eine groovige Bierdusche?
Nicht unbedingt, sind doch viele Verteidiger des Deutschen nicht bereit, die sprachliche Willkommenskultur zu liken. Vom Gendern über den Veggie bis zum Binnen-I haben Internetaktivistinnen und Internetaktivisten (meistens ohne konkrete Jobaussicht) die Schnauze gestrichen voll, sie empfinden allein die Begriffe schon als Drohnenangriff auf ihre Filterblasen.
Nicht bereit, die neuen Wörter mit einem fröhlichen „Namaste!“ zu begrüßen, halten diese Hasskriminellen es für einen Medienhype der Lügenpresse und verbreiten ihren postfaktischen Frust polysportiv per Messaging oder Livestream, unter dem Hashtag „Inflationsschutz“ bei Twitter, gern auch auf Snapchat, via WhatsApp oder mithilfe von Social Bots in einschlägigen Internetblogs. Manche legen ihren Hass sogar in der Dropbox ab.
Wikileaks wurden schon mit Selfiesticks aufgenommene Selfies zugespielt, auf denen nicht nur Hoodie-Träger mit Undercut zu sehen sind. Sondern, auch in diesen Kreisen herrscht Geschlechtergerechtigkeit, verpeilte Chicas mit Mütterrente und queere Ampelfrauen in Zipphosen, die, wie schon auf den pixeligen Thumbnails zu erkennen ist, eindeutig zu viel beim Nachtshopping im Späti gekauftes Schleckzeug runterwürgen, das alles andere als Low Carb, ovovegetarisch oder frugan sein dürfte.
Hier stimmt die Work-Life-Balance
Diese Leute würden generell einen Ersatzfahrplan für die herrschende Europapolitik bevorzugen und sagen in aller Deutlichkeit: „Icke reagiere auf die Flüchtlingskrise nicht einmal mit einem müden Arschrunzeln, die Personenfreizügigkeit für fremdländische Begriffe hat auf mich schlechterdings keinen Wow-Effekt, alles Tüddelkram und oldschool. Merkel zockt uns ab! Ach, wie gern würde ich diese Volksverräterin einfach entfreunden oder wenigstens ein Schmähgedicht auf sie verfassen! “
Auf der anderen Seite stehen Menschen, die auf die neue Barrierefreiheit für einwandernde Wörter eher mit heiteren Emojis reagieren. Sie halten den Kopftuchstreit für Fake News im Kopfkino von Leuten, die mental bereits im Pflegebett liegen und in der Birne reichlich futschikato sind. Diese Gruppe ist sehr attraktiv und aktiv, hier stimmt einfach die Work-Life-Balance. Eifrig werden Partner geswappt, Rumeiern ist nicht, auch wird hier nicht die Klickzahl von Youporn nach oben getrieben. Wo solche Sexpertinnen und Sexperten am Werk sind, findet in den Betten ein tabuloses Tikitaka statt.
Kein Wunder, handelt es sich doch um Flexitarier, die sich selbst in Herne oder Siegen mühelos allein von den Früchten ihres Urban Gardening ernähren – sofern sie nicht mit dem Jumpsuit unterwegs sind. Auf der Playlist dieser Leute wird man keine Partyband finden, nur chilligen Dubstep. Auf ihrem inneren Infoscreen wird der Europagedanke nicht von einem Adblocker blockiert.
Nun bringt es das Hosting des Sprachschatzes mit sich, dass der Duden manchmal Wörter streichen muss. Fair Trade hin oder her – wer, wie der gute alte „Wandalismus“ oder die köstlichen „Anschovis“, im Sprachgebrauch kein Quotenkönig mehr ist oder gar auf Ramschniveau sinkt, wird gnadenlos aus dem Deutschen ausgewiesen. Fancy!
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