Neue Zeugin zum Oktoberfest-Attentat: Der Mann ohne Hand
Eine Krankenschwester könnte zu den Mittätern des Münchner Anschlags führen. Sie hatte einen Mann mit zerfetztem Unterarm behandelt.
BERLIN taz | Bei den Ermittlungen zum Münchner Oktoberfestattentat zeichnet sich eine neue Wende ab. Eine jetzt aufgetauchte Zeugin könnte zu Mittätern des Bombenanschlags vom 26. September 1980 führen. Die Frau berichtete, dass nach dem Anschlag in einem norddeutschen Unfallkrankenhaus ein Mann behandelt wurde, der mit einem zerfetzten Unterarm eingeliefert worden war.
Nach dem Attentat hatte die Polizei am Tatort eine Hand sichergestellt, die bis heute zahlreiche Fragen aufwirft. Die neue Zeugin tritt in der Dokumentation „Attentäter – Einzeltäter? Neues zum Oktoberfestattentat“ auf, die der Fernsehsender ARD am Mittwoch im Rahmen eines Themenabends ausstrahlt.
13 Menschen Leben starben bei dem Anschlag, über 200 wurden teils schwer verletzt. Für die Ermittler der Sonderkommission Theresienwiese stand damals schnell fest: Der Student Gundolf Köhler, der selbst tot neben der Bombe aufgefunden wurde, war allein für die Tat verantwortlich. Der 21-Jährige hatte nachweislich Verbindungen zu rechtsextremen Kreisen.
Obwohl schon damals erhebliche Zweifel an der Einzeltäterthese bestanden, stellte die Bundesanwaltschaft (BAW) den Fall bereits im November 1982 ein. Der Journalist Ulrich Chaussy vom Bayerischen Rundfunk recherchierte jedoch weiter, und nicht zuletzt seine Arbeit führte dazu, dass die BAW die Ermittlungen im Dezember 2014 wieder aufnahm.
Speichelspuren auf Zigaretten
Von Anfang an hatte vieles dafür gesprochen, dass Köhler nicht allein gehandelt hatte. Das bestätigten unter anderem Speichelspuren mehrerer Personen an Zigaretten in Köhlers Auto. „Und eine zentrale Rolle spielte immer die Hand“, erklärt der Regisseur Daniel Harrich, der mit Chaussy den Dokumentarfilm gedreht hat. Sie konnte keinem der Opfer eindeutig zugeordnet werden.
Die Aussage der Zeugin könnte nun neue Anhaltspunkte liefern, wem diese Hand gehörte – und damit auf Mittäter Köhlers. Sie war im September 1980 in dem Hannoveraner Krankenhaus neu als Krankenschwester tätig. Nach der Veröffentlichung des ebenfalls von Chaussy und Harrich gedrehten Spielfilmes „Der blinde Fleck“ über das Attentat wandte sie sich jetzt an den Journalisten und berichtete von jenem Mann, der in das Hospital eingeliefert wurde.
Dieser habe sich geweigert, den Ärzten zu erklären, wie es zu dem zerfetzten Unterarm gekommen sei. Auch darüber hinaus habe er sich merkwürdig benommen. „Er hatte ein Strahlen im Gesicht. Ich war völlig irritiert“, erklärt die Zeugin. Er habe nie Besuch von Angehörigen bekommen. Mehrmals seien jedoch seltsame Männer da gewesen, erinnert sie sich. Und vor Ende der Behandlung sei er spurlos verschwunden.
Kann aber ein Schwerverletzter von München nach Hannover reisen? Chaussy hält das nicht für ausgeschlossen. Zumal die Nähe zum Explosionsort nicht unbedingt im Zusammenhang mit der Schwere der Verletzungen stehe. Dass der Mann in die norddeutsche Region gereist ist, könne vielmehr, so der Journalist, auch auf weitere Hintermänner der Tat verweisen.
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