Neue Zahlen aus Indien: Erfolge der UNO im Anti-Aids-Kampf
Der neue Weltaidsbericht revidiert die Zahl der HIV-Infizierten drastisch nach unten. Grund sei eine "verbesserte" Datenlage. Eigentlich steigt die Zahl der Neuinfektionen weiter.
Das UN-Aidsbekämpfungsprogramm Unaids hat seine Zahlen der mit dem HI-Virus infizierten Menschen auf der Welt deutlich nach unten revidiert. 33,2 Millionen trügen den Virus, heißt es in dem offiziell heute in Genf veröffentlichten neuen Bericht der Organisation. Vor einem Jahr hatte Unaids die Zahl noch mit 39,5 Millionen angegeben.
"Verbesserte und erweiterte Daten" seien der Grund für die Korrektur, so Unaids. Es gehe vor allem um neue Zahlen aus Indien. Dort ist die Zahl der HIV-Infizierten von 5,7 Millionen Ende 2006 auf 2,5 Millionen heute verändert worden - Ergebnis davon, dass im letzten Jahr viel genauere Datensammlungsmechanismen eingeführt wurden.
Es ist nicht erste Korrektur, die die UNO an ihren Aids-Statistiken vornimmt. 2002 hatte die veröffentlichte Zahl der HIV-Infizierten den Rekordwert von 42 Millionen erreicht, 2005 waren es 40,2 Millionen und 2006 dann 39,5, obwohl sich die Seuche in allen Jahren laut UNO weiter ausgebreitet hat. Legt man die neuen Datenerhebungsmethoden früheren Jahren zugrunde, waren 2002 nur 30 Millionen Menschen HIV-infiziert, sagt Unaids jetzt. Auch dieses Jahr habe die Zahl weiter zugenommen, wenngleich langsamer.
Die wichtigste Revision betrifft die Methode der Hochrechnung. Anfangs wurde die HIV-Infektionsrate der Erwachsenenbevölkerung auf der Grundlage der Untersuchung von Schwangeren in pränatalen Kliniken festgestellt. Inzwischen weiß man, dass Schwangere eine höhere Infektionsrate haben und korrigiert deren Rate daher systematisch um ein Fünftel nach unten.
Es gibt noch andere Veränderungen. Fast nirgendwo in Afrika gibt es systematische Gesamtuntersuchungen der Bevölkerung. In immer mehr Ländern sind jedoch neue Methoden der repräsentativen Stichprobenerhebung eingeführt worden. Sie zeigen deutliche Abweichungen gegenüber früheren Hochrechnungen. So sind in Swasiland den neuen Angaben zufolge "nur" 25,9 Prozent der Bevölkerung infiziert, nicht 33,4 Prozent wie im Weltaidsbericht 2006. In der Zentralafrikanischen Republik sind es 6,2 statt 10,7 Prozent und in Indien 0,28 Prozent statt 0,9.
In einigen Ländern - zum Beispiel Uganda, Botswana, Burundi oder Kenia - ergeben die repräsentativen Erhebungen jedoch höhere HIV-Infektionsraten als die früheren Methoden. Das immer wieder als Modell der Aidsverhütung gepriesene Uganda liegt demnach heute bei 7,1 Prozent, leicht über Kenia - im Weltaidsbericht 2002 war die Infektionsrate in Kenia noch dreimal höher gewesen als in Uganda.
Unabhängig von ihrem Zahlensalat zeichnet Unaids aber ein positives Bild, vor allem wegen der starken Zunahme der Anzahl medikamentös behandelter Kranker auch in armen Ländern. Damit sei die Lebenserwartung nach einer HIV-Infektion im weltweiten Durchschnitt auf elf Jahre gestiegen.
Die Zahl der jährlichen Neuinfektionen sei auf der Grundlage konstanter Daten seit Ende der 90er-Jahre von 3 auf 2,5 Millionen jährlich gesunken. Die Zahl der Toten sank seit 2005 von 2,3 auf 2,1 Millionen Menschen, davon wie bisher drei Viertel in Afrika südlich der Sahara. In Afrika, so Unaids weiter, ist aber die HIV-Infektionsrate seit 2001 von 5,8 auf 5,0 Prozent gesunken, die Zahl der Neuinfektionen ist von 2,2 auf 1,7 Millionen im Jahr zurückgegangen.
Wenn Unaids einen "lokalisierten Rückgang der Infektionsrate in gewissen Ländern" konstatiert, muss das nicht heißen, dass es den Menschen besser geht. Im Krisenland Simbabwe liegt die HIV-Infektionsrate laut Unaids heute "nur" noch bei 18 Prozent - gegenüber 26 vor sechs Jahren bei konstanten Daten. "Der Trend reflektiert eine Kombination von sehr hoher Sterblichkeit und zurückgehender Neuinfektion, teils auf verändertes Verhalten zurückzuführen", schreibt Unaids. Im Klartext: Der Zusammenbruch des Gesundheitswesens und verbreitete Unterernährung lassen Kranke schneller sterben, die Hinwendung großer Bevölkerungsteile zu Erweckungssekten verändert das Sexualverhalten.
Entwarnung ist nicht gegeben. Überall auf der Welt steigt die Zahl der Infizierten laut dem Bericht - in Osteuropa und Ozeanien habe sie sich seit 2001 fast verdreifacht. Starben 2002 in Osteuropa 8.000 Menschen an Aids, sind es dieses Jahr 55.000, mehr als in Nordamerika und Ostasien zusammengenommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Linke gegen AfD und BSW
Showdown in Lichtenberg
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Auf dem Rücken der Beschäftigten