Neue Welle der Gewalt in Libyen: Auch Europa braucht Stabilität

Europäische Länder haben im Libyenkrieg unterschiedliche Seiten unterstützt. Jetzt, wo die Gewalt wieder aufflammt, wird es Zeit, einig aufzutreten.

Spuren der Gewalt: Ausgebranntes Auto in Tripolis

Die Waffenruhe ist vorbei: In Tripolis wurden bei schweren Kämpfen mehrere Menschen getötet Foto: Yousef Murad/dpa

Zwei Jahre lang war es in Libyen relativ ruhig geblieben, seit ein international vermittelter Waffenstillstand in Kraft trat. Damit ist es seit diesem Wochenende vorbei. Rivalisierende Milizen verwandelten die Hauptstadt Tripolis in ein Schlachtfeld: Mindestes 23 Tote, unzählige zerstörte Gebäude, beschädigte Krankenhäuser.

Das erneute Aufflammen der Kämpfe bedeutet auch, dass die internationale Gemeinschaft damit gescheitert ist, die Waffenruhe für einen politischen Prozess zu nutzen, der das nordafrikanische Land endgültig befrieden sollte. Eigentlich hätten letzten Dezember Wahlen stattfinden sollen. Aber dieser Versuch wurde erneut von der alten Rivalität zwischen dem Osten und Westen des Landes überschattet. Die Rivalität hat nun zwei neue Gesichter bekommen: der von der UN als Interimsministerpräsident installierte Abdul Hamid Dbeibah in Tripolis und sein vom Osten des Landes und vom dortigen Parlament unterstützter Rivale Fathi Bashagha, der ihm seit drei Monaten das Amt streitig macht.

Die Kämpfe brachen aus, als Milizen Bashagas versuchten, in die Hauptstadt zu gelangen. Wie es scheint, wurde dieser Versuch zunächst zurückgeschlagen. Wie überdrüssig die Zivilbevölkerung der Kämpfe ist, zeigt auch eine Erklärung des Ältestenrats der Stadt Tripolis, die beide Seiten für Tod und Zerstörung verantwortlich macht.

Die internationale Gemeinschaft hat selbst zu dieser verheerenden Situation beigetragen, indem sie jahrelang unterschiedliche Seiten unterstützte: die Emirate, Ägypten, Russland und Frankreich den Osten, die UNO, die Türkei und Italien die Regierung in Tripolis. Dabei wäre eine Befriedung Libyens im unmittelbaren europäischen Interesse. Denn dort liegen beträchtliche Öl- und Gasreserven. Dort mehr geeintes politisches Kapital einzusetzen, käme nicht nur dem geschundenen Land zugute, sondern könnte auch die vom Ukrainekrieg gefährdeten Energieflüsse besser absichern. Europa kann es sich nicht mehr leisten, Libyen einigen Milizen und Warlords zu überlassen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Karim El-Gawhary arbeitet seit über drei Jahrzehnten als Nahost-Korrespondent der taz mit Sitz in Kairo und bereist von dort regelmäßig die gesamte Arabische Welt. Daneben leitet er seit 2004 das ORF-Fernseh- und Radiostudio in Kairo. 2011 erhielt er den Concordia-Journalistenpreis für seine Berichterstattung über die Revolutionen in Tunesien und Ägypten, 2013 wurde er von den österreichischen Chefredakteuren zum Journalisten des Jahres gewählt. 2018 erhielt er den österreichischen Axel-Corti-Preis für Erwachensenenbildung: Er hat fünf Bücher beim Verlag Kremayr&Scheriau veröffentlicht. Alltag auf Arabisch (Wien 2008) Tagebuch der Arabischen Revolution (Wien 2011) Frauenpower auf Arabisch (Wien 2013) Auf der Flucht (Wien 2015) Repression und Rebellion (Wien 2020)

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.