Neue Welle der Gewalt in Libyen: Auch Europa braucht Stabilität
Europäische Länder haben im Libyenkrieg unterschiedliche Seiten unterstützt. Jetzt, wo die Gewalt wieder aufflammt, wird es Zeit, einig aufzutreten.

Z wei Jahre lang war es in Libyen relativ ruhig geblieben, seit ein international vermittelter Waffenstillstand in Kraft trat. Damit ist es seit diesem Wochenende vorbei. Rivalisierende Milizen verwandelten die Hauptstadt Tripolis in ein Schlachtfeld: Mindestes 23 Tote, unzählige zerstörte Gebäude, beschädigte Krankenhäuser.
Das erneute Aufflammen der Kämpfe bedeutet auch, dass die internationale Gemeinschaft damit gescheitert ist, die Waffenruhe für einen politischen Prozess zu nutzen, der das nordafrikanische Land endgültig befrieden sollte. Eigentlich hätten letzten Dezember Wahlen stattfinden sollen. Aber dieser Versuch wurde erneut von der alten Rivalität zwischen dem Osten und Westen des Landes überschattet. Die Rivalität hat nun zwei neue Gesichter bekommen: der von der UN als Interimsministerpräsident installierte Abdul Hamid Dbeibah in Tripolis und sein vom Osten des Landes und vom dortigen Parlament unterstützter Rivale Fathi Bashagha, der ihm seit drei Monaten das Amt streitig macht.
Die Kämpfe brachen aus, als Milizen Bashagas versuchten, in die Hauptstadt zu gelangen. Wie es scheint, wurde dieser Versuch zunächst zurückgeschlagen. Wie überdrüssig die Zivilbevölkerung der Kämpfe ist, zeigt auch eine Erklärung des Ältestenrats der Stadt Tripolis, die beide Seiten für Tod und Zerstörung verantwortlich macht.
Die internationale Gemeinschaft hat selbst zu dieser verheerenden Situation beigetragen, indem sie jahrelang unterschiedliche Seiten unterstützte: die Emirate, Ägypten, Russland und Frankreich den Osten, die UNO, die Türkei und Italien die Regierung in Tripolis. Dabei wäre eine Befriedung Libyens im unmittelbaren europäischen Interesse. Denn dort liegen beträchtliche Öl- und Gasreserven. Dort mehr geeintes politisches Kapital einzusetzen, käme nicht nur dem geschundenen Land zugute, sondern könnte auch die vom Ukrainekrieg gefährdeten Energieflüsse besser absichern. Europa kann es sich nicht mehr leisten, Libyen einigen Milizen und Warlords zu überlassen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Treibhausgasbilanz von Tieren
Möchtegern-Agrarminister der CSU verbreitet Klimalegende
Ägyptens Pläne für Gaza
Ägyptische Firmen bauen – Golfstaaten und EU bezahlen