das wichtigste kurz und knapp: Neue Vorsätze zum Jahreswechsel
Politiker sorgen mit Forderungen für Aufsehen
von LUKAS WALLRAFF
Neujahr ist die Zeit der kargen Nachrichten – dafür umso mehr die Zeit der neuen Vorsätze. Das gilt insbesonderes für die Politik. Angesichts der Vorsatzschwemme können heute nur die allerwichtigsten Wortmeldungen berücksichtigt werden. Der damit verbundene Verzicht auf Vollständigkeit ist bedauerlich, aber in dieser Ausnahmesituation nicht zu vermeiden. Spätestens nach dem Dreikönigstreffen der FDP ist alles wieder normal. Auch Rainer Brüderle wird sich dann wieder zurückhalten. Der FDP-Vize hatte an Silvester die sofortige Abschaffung der Sektsteuer gefordert.
Doch nicht nur die Liberalen waren zwischen den Jahren aktiv. Spitzenpolitiker aller Parteien sorgten für politische Paukenschläge. Vor allem beim Thema Zuwanderung überraschten sie mit originellen und zukunftsweisenden Ideen. So forderte der wirtschaftspolitische Sprecher der sächsischen SPD, Karl Nolle, gestern eine „Rückkehrerprämie“ für Sachsen. Bekanntlich haben zahlreiche Sachsen nach der Wende den Freistaat verlassen. Nolle fordert deshalb eine Prämie von 5.000 Mark für jeden heimkehrenden Sachsen. Dies wäre „endlich einmal eine wirkliche Investition in die Jugend und damit in die Zukunft“. Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) müsse das Thema zur Chefsache erklären.
Während Biedenkopf gestern noch schwieg, erhielt Nolle Schützenhilfe von weiteren Spitzenpolitikern, die darauf hinwiesen, dass das Problem der wenigen Inländer nicht nur Sachsen betrifft.
Edmund Stoiber (CSU) etwa hat ähnliche Sorgen. Seine Bayern wandern zwar nicht aus – doch sie werden erst gar nicht geboren. Der dramatische Geburtenrückgang sei „eine tickende Zeitbombe“, warnte Stoiber. Viele junge, deutsche Paare schreckten aus Geldsorgen vor Zuwachs zurück. „Hier muss endlich was geschehen.“ Stoiber fordert deshalb, das Kinderkriegen endlich angemessen zu bezahlen: mit 1.000 Mark pro Kind pro Monat.
Der Bevölkerungsspezialist Helmut Schmidt (SPD) setzte bei seiner Analyse einen anderen Akzent: „Die Deutschen haben den Fehler gemacht, zu großzügig zu sein bei der Aufnahme von Menschen aus dem Ausland“, stellte Schmidt fest, „nun müssen wir mal ein bisschen bremsen.“ Schmidt ärgert sich, dass der 1973 verfügte Zuwanderungsstopp nur unzureichend eingehalten wurde: „Das war ein Fehler, weil sich herausstellte, dass die Deutschen nicht ausreichend dazu erzogen sind, mit diesen Ausländern friedlich und als Gastgeber umzugehen.“
Mit diesem Pauschalurteil wird sich Schmidt den Zorn seines Parteifreundes Gottfried Hain zuziehen. Der Bürgermeister der weltoffenen Metropole Guben ist mit der Erziehung seiner Stadtjugend zufrieden: „Schon immer gab es kluge Köpfe, die es verstanden, Guben über die Grenzen der Region hinaus zu prägen“, schrieb Hain gerade erst in einer Grußbotschaft auf seiner Homepage, „gastfreundlich zeigen die Gubener ihren Gästen die schönsten Ansichten ihrer Stadt, die immer wieder bezaubern.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen