Neue Verfassung für Ägypten: Endlich ausgezählt
Wie erwartet haben die meisten Ägypter für die neue Verfassung gestimmt. Die Opposition hat angekündigt, dass sie das Ergebnis anfechten wird.
ISTANBUL/KAIRO dpa/afp | Fast zwei Jahre nach dem Sturz von Langzeitpräsident Husni Mubarak hat Ägypten eine neue, wenn auch umstrittene Verfassung. Wie die Wahlkommission am Dienstag in Kairo verkündete, billigte eine Mehrheit von 63,8 Prozent das fast ausschließlich von Islamisten geschriebene Regelwerk. Allerdings hatten sich nur 32,9 Prozent der rund 52 Millionen wahlberechtigten Ägypter an dem Referendum beteigt. Die Verfassung gibt den Islam-Gelehrten künftig mehr Einfluss und wird von Liberalen, Linken und Christen heftig kritisiert.
Die Opposition befürchtet eine strengere Auslegung des islamischen Rechts, der Scharia, die wichtigste Quelle der Gesetzgebung bleibt. Siesieht sich in dem Verfassungsentwurf nicht repräsentiert und hat bereits angekündigt, das Ergebnis anfechten zu wollen. Deshalb hatte es in den vergangenen Wochen immer wieder heftige Proteste und zum Teil tödliche Krawalle gegeben.
Der Vorsitzende der Wahlkommission, Samir Abu al-Maati, ging bei der Vorstellung der Ergebnisse auch auf die Beschwerden von Aktivisten ein, die zahlreiche Verstöße gegen das Wahlrecht monierten und das Referendum anfechten wollen. Weil einige Wahllokale später geöffnet hätten, seien die Öffnungszeiten landesweit verlängert worden, erläuterte Al-Maati. Die Stimmen aus jenen Wahllokalen, die dennoch früher geschlossen hätten, würden in der Auswertung nun nicht mehr berücksichtigt. Die Beschwerden sollten im Internet veröffentlicht werden.
Binnen zwei Monaten muss nun ein neues Parlament gewählt werden. Die Bekanntgabe des Wahltermins wird in den kommenden Tagen erwartet. Das erste nach dem Arabischen Frühling gewählte Unterhaus war im Sommer von einem Gericht aufgelöst worden. Darin hatten die Islamisten eine deutliche Mehrheit.
Am Mittwoch soll aber zunächst der Schura-Rat, das Oberhaus im Parlament, zu seiner ersten Sitzung zusammenkommen. Der islamistische Präsident Mohammed Mursi hatte erst am Wochenende das noch fehlende Drittel der 270 Mitglieder der zweiten Parlamentskammer ernannt. Zwei Drittel der Mitglieder hatten ihr Schura-Mandat bei den Wahlen zu Jahresbeginn 2012 errungen. Die Schura soll so lange Gesetze beschließen, bis ein neues Parlament gewählt ist.
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