Neue Unternehmensform gefordert: Wirtschaften jenseits von Profiten
Wirtschaftsverbände wollen eine neue Unternehmensform. Damit sollen Gewinne im Unternehmen bleiben. Denn momentan kann das kompliziert werden.
Vertreter:innen von rund 20 Verbänden haben das am Montag vorgestellte Papier unterzeichnet, darunter der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW), der Bundesverband Deutsche Startups und der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft.
„Die Rechtsform ist ein Betriebssystem, das von unterschiedlichen Seiten genutzt werden kann, ähnlich wie die Genossenschaft“, sagt Armin Steuernagel von der Stiftung Verantwortungseigentum bei der Vorstellung. Jasmin Arbabian-Vogel vom Verband deutscher Unternehmerinnen hofft, dass die neue Unternehmensform auch bei der Nachfolgefrage helfen könne, die zahlreiche Unternehmer:innen umtreibe. Sie berichtete von einem Fall, in dem ein scheidender Firmeninhaber die Nachfolgerin adoptierte, damit diese die Firma übernehmen konnte, ohne das Kapital für einen Kauf aufzubringen, was ihr nicht möglich gewesen wäre.
Frank-Grischa Feitsch vom BVMW befasst sich als Anwalt mit Fällen, in denen Unternehmer:innen verhindern wollen, dass die Firma versilbert werde. Derzeit würden in solchen Fällen rechtliche Hilfskonstruktionen genutzt, etwa über Stiftungen. Doch diese Konstruktionen seien beratungs- und somit kostenintensiv.
Sinkende Einnahmen durch Erbschaftsteuer befürchtet
Ein prominentes Beispiel für eine Alternativkonstruktion ist die Suchmaschine Ecosia, die den Gewinn in Aufforstungsprojekte investiert. Als GmbH gegründet, wurde sie von Gründer Christian Kroll vor wenigen Jahren umgewandelt. Eine Stiftung hält nun einen 1-Prozent-Anteil und bestimmte Vetorechte. Die Kontrolle soll durch die neue Form immer bei Menschen bleiben, die dem Unternehmen nahestehen und am operativen Geschäft beteiligt sind.
Eigentlich könnte die Forderung ein Selbstläufer sein. Denn auch SPD, Grüne und FDP haben in ihrem Koalitionsvertrag die Schaffung einer entsprechenden Unternehmensform anvisiert. Dementsprechend äußerten sich Vertreter:innen der drei Parteien bei der Vorstellung positiv. Dennoch gibt es etwa in den Bundesländern Befürchtungen, dass durch die neue Unternehmensform ihre Einnahmen aus der Erbschaftsteuer sinken könnten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren