piwik no script img

Neue Umfrage vor der Berlin-WahlGeht Rot-Grün die Puste aus?

Die Grünen sacken in neuester Umfrage deutlich ab. Setzt sich der Trend fort, hat Rot-Grün keine Mehrheit. Alternativen wären Rot-Grün-Rot - oder doch Rot-Schwarz

Rotes und grünes Bild: dpa

In der SPD keimt nach Informationen der taz die Sorge, es könne bei der Abgeordnetenhauswahl am Sonntag nicht für eine rot-grüne Koalition reichen. Hintergrund ist der fortgesetzte Abwärtstrend der Grünen. Die neueste Umfrage sieht die SPD zwar bei guten 31 Prozent, die Grünen hingegen nur noch bei 18 und damit so schlecht wie seit Juni 2009 nicht mehr. Hält dieser Trend an, ist eine ausreichende Mehrheit für Rot-Grün damit nicht mehr sicher. Nutznießer der Grünen-Verluste ist offenbar die bislang nicht im Parlament vertretene Piratenpartei, die auf 9 Prozent steigt. Reicht es nicht für Rot-Grün, könnte die SPD die Linkspartei mit ins Boot holen - oder aber mit der CDU koalieren.

Die Zahlen sind umso auffälliger, weil sie von der Info GmbH im Auftrag von Berliner Kurier und Berliner Rundfunk 91.4 erhoben wurden. In den Umfragen des Instituts hatten die Grünen in den letzten Monaten besser abgeschnitten als bei allen anderen Befragungen. Im März erreichten sie hier 32 Prozent, Ende Mai noch 31. Mit 18 Prozent rücken die Grünen in die Nähe des Wahlergebnisses von 2006, als sie 13,1 Prozent erreichten. Auffällig ist zudem, dass der Berliner Landesverband, lange eine grüne Hochburg, deutlich unter den Werten der Grünen bundesweit liegt, wo die Partei derzeit 20 Prozent erreicht.

Bewahrheiten sich diese Zahlen bei der Wahl am Sonntag, so erweist sich der jüngste Schwenk in der Grünen-Strategie als erfolglos oder sogar schädlich. Die Spitzenkandidatin der Partei, Renate Künast, hatte sich lange die Möglichkeit offengehalten, mittels einer grün-schwarzen Koalition Regierende Bürgermeisterin zu werden. Intern aber wurde angesichts sinkender Umfragewerte Kritik lauter, man verschrecke mit dieser Strategie die Stammwählerschaft, die angeblich nichts mit der CDU zu tun haben will.

Vor diesem Hintergrund hatte Künast vor einer Woche im TV-Duell mit dem SPD-Spitzenkandidaten Klaus Wowereit erklärt, sie werde ihrer Partei keine Koalition mit der CDU vorschlagen. Statt damit den Abwärtstrend zu beenden, verloren die Grünen jetzt weiter - die Info GmbH fragte 1.500 Bürger in den drei Tagen nach dem TV-Duell. Noch am Donnerstagnachmittag hatte die Berliner Morgenpost Grünen-Bundeschefin Claudia Roth mit den Worten zitiert: "Renate Künast hat rechtzeitig vor der Wahl die nötige Klarheit geschaffen, und davon werden die Grünen profitieren."

Mit der jüngsten Entwicklung rückt für die Linkspartei ein Weiterregieren wieder in Reichweite. Mit ihr zusammen hätten SPD und Grüne im Abgeordnetenhaus eine breite Mehrheit. Die Linkspartei will aber merklich nicht den Eindruck erwecken, SPD und Grüne müssten nur mit den Fingern schnippen, damit sie für ein Dreierbündnis bereitstehe. "Das ist eine Frage der Inhalte", sagte Landeschef Klaus Lederer der taz. "Entscheidend seien etwa die Mietenpolitik oder die S-Bahn-Ausschreibung."

Dass die SPD den Boom bei den Piraten und die Schwäche der Grünen durchaus im Blick hat, spiegelt sich in Worten von Wowereit: Wer klare Verhältnisse wolle, müsse SPD wählen, sagte er am Donnerstag. Das soll nach Parteiangaben auch der Tenor im Wahlkampfendspurt sein, in den die SPD heute mit einer Großveranstaltung auf dem Potsdamer Platz geht.

Als mögliche Alternative zu Rot-Grün-Rot oder einer nur knappen und entsprechend wackligen Koalition mit den Grünen bietet sich für die SPD ein Bündnis mit der CDU an. Die hätte den schlichten praktischen Vorteil, dass Absprachen mit einem Partner einfacher sind als mit zwei. Angesichts des Gewichts, das Wowereit der A 100 (siehe Seite 22) und dem Großflughafen Schönefeld beimisst, könnte die zustimmende Haltung der CDU ausschlaggebend für die Wahl zum Koalitionspartner sein - es sei denn, die SPD-Basis macht dagegen ebenso mobil wie die der Grünen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

11 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • A
    Alex

    Nach www.wahlrecht.de kamen bei SPD und Grüne bei der fraglichen Umfrage zusammen auf 49%; CDU, Linkspartei und Piraten zusammen auf 43%. M.E. ist das eine recht deutliche Mehrheit. Warum verschweigt ihr diese Zahlen und redet stattdessen vage davon, dass die Mehrheit für Rot-Grün nicht mehr sicher ist, wenn das Abfallen der Grünen in den Umfragen anhält? Macht ihr Wahlkampf für die Grünen?

  • H
    Hans

    Wenn die SPD wirklich so unsagbar dämlich wäre, eine Koalition mit der CDU in Berlin einzugehen, dann würde ich vor Selbstverbennung und Berliner Jasminrevolution nicht mehr zurückschrecken.

     

    Aber bei der Verräterpartei weiß man nie...

  • L
    lars

    Liebe Taz,

     

    schade, dass eigenes Recherchieren nicht mehr zu Euren journalistischen Tugenden gehört. Dann hättet ihr nämlich darauf hingewiesen, dass die SPD in dieser Umfrage 5 (!!) Prozent verliert...

     

    Aber offenbar seid auch ihr einem Wowi-Kult verfallen.

    Das wars dann mit meiner regelmäßigen Unterstützung.

  • K
    Kaboom

    Wenn die Piratenpartei der primäre Nutzniesser der (Umfrage-)Verluste der Grünen isr, muss die Frage gestellt werden, ob die Strategie der Grünen, sich in Äuidistanz zu SPD und CDU zu positionieren vielleicht grundsätzlich falsch ist.

    Grüne Wähler sind üblicherweise recht fest gebunden. Wenn allerdings die Piraten, (die manchmal ein wenig wirken wie die Grünen vor 25 Jahren) als Alternative wahrgenommen werden, muss die Frage gestellt werden, ob die Grünen möglicherweise inzwischen von vielen Wählern als das "kleinere Übel" wahrgenommen werden. Nachdem in Umfragen vor ein paar wochen den Piraten eine reele Chance auf das Knacken der 5%-Hürde eingeräumt wurde, brachen offenkundig alle Dämme.

    Und es muss analysiert werden, ob die Stärke der Grünen möglicherweise ausschliesslich aus der Schwäche der anderen resultiert.

  • HK
    Henner Kroeper

    > könnte die SPD die Linkspartei mit ins Boot holen <

     

    Die Linkspartei sitzt, zumindest bis Sonntag Abend im "Boot" und vielleicht sitzt sie da am Montag noch immer.

    Die intelligente Frau Künast schätze ich sehr, aber Lebensfreude strahlt sie weniger aus als z. B. Frau Merkel und das will was heißen.

    Ich glaube ihr "Freudenpotential liegt noch unter dem meines Fußabstreifers.

  • KK
    K-H. Kekeisen

    Wer rechnen kann ist klar im Vorteil. Im Abgeordnetenhaus hätte Rot-Grün auch nach dieser Umfrage eine Mehrheit. Rot/Grün 49 % CDU/Piraten/Linke 43 %

  • V
    vic

    Wer klare Verhältnisse wolle, müsse SPD wählen, sagte Wowereit. Sehe ich nicht so.

    Oder sind es klare Verhältnisse, wenn eine schwarze Regierungsbeteiligung droht?

  • IE
    ist egal

    Sorry aber die Info GmbH hat schon bei der letzten Umfrage einen ziemlichen Ausreißer gehabt (SPD bei 36%, während andere Umfrageinstitute diese bei 30-33% sahen). Das ist jetzt die zweite Umfrage mit ungewöhnlichen Werten von denen (Piraten jetzt bei 9%...). Entweder deren statistische Methoden sind Mist oder die produzieren absichtlich "aufsehenerregende" Statistiken. Egal wie rum, ernst nehmen sollte man eine solche Wahlumfrage nicht (sprich noch weniger als sonst mit Wahlumfragen).

  • E
    EnzoAduro

    Unser Wahlsystem ist einfach nur verwirrend. Die Mehrheit will Rot-Grün.

    Die Piraten wurden groß als sie die Möglichkeit wurde Rot-Grün zu erzwingen und RotRot und GrünSchwarz zu verhindern. Und nun sind die Piraten so groß das sie das verhindern.

     

    Die Mehrheit will Rot-Grün und wählt taktisch um das zu erreichen. Die Katze beißt sich natürlich in den Schwanz wenn ein Fünftel bis ein Drittel Taktisch wählt.

     

    An den Koalitionspräferenzen der Berliner hat sich seit einem Jahr NIX ABER AUCH GAR NICHTS getan. Nur die Umfragewerte der Parteien fahren Achterbahnen wie der DAX!

     

    Ich würde mich wundern wenn die Mehrheit eine wackelige Dreiparteienkoalition will, und eine SPD-CDU Koalition will doch auch keiner.

  • E
    Ernst

    9% wären eine Sensation. Also, Sonntag wählen gehen, damit unseren sogenannten Politprofis wissen, was das Wahlvolk von ihnen hält. Pöstchenjäger und Schacherei zum eigenen Vorteil. Die Nichtwähler sollten sich nochmal überlegen, ob sie nicht die Piraten wählen!

  • W
    Wanred

    Es ist immer wieder verwunderlich warum man nicht auf das Naheliegenste kommt. Wenn doch Waehler von den Grünen zu den Piraten abwanderen, warum dann keine Rot-Gruen-Orangene Koalition. Einen Orangenen Innensenator koennte ich mir spannend vorstellen. Und so weit entfernt sind manche der Positionen ja auch nicht.

     

    In diesem Sinne: Klarmachen zum ändern!