Neue Tomb-Raider-Serie: Für immer jung
Warum die Action-Heldin Lara Croft auch in der neuen Amazon-Serie nicht zu ihrem Alter stehen wird – und warum sie das eigentlich tun sollte.
Die Figur Lara Croft, die mit der Tomb-Raider-Videospielreihe 1996 zum ersten Mal auf die Bühne trat, hat ein Geburtsdatum: 14. Februar 1968. Demnach war sie im ersten Spiel 28 Jahre alt. Seitdem hat sie sich sehr verändert – doch gealtert ist sie nicht.
Phoebe Waller-Bridge, britische Schauspielerin, Regisseurin und Drehbuchautorin, bekannt aus der Serie „Fleabag“, übernimmt die kreative Leitung der kommenden Tomb-Raider-Serie auf Amazon, die vermutlich 2026 erscheint. Ihre Arbeiten zeigen Talent für nuancierte weibliche Figuren. Die Hauptrolle besetzt sie mit der 28-jährigem Game-of-Thrones-Star Sophie Turner. Also muss Lara ihr tatsächliches Alter wohl nach wie vor verbergen. Das ist eine verpasste Gelegenheit.
Die Figur der Lara Croft ist ein kulturelles Phänomen und Symbol weiblicher Stärke in der Videospielwelt. Die abenteuerlustige Archäologin mit reichlich Munition in den 9-mm-Pistolen war eine der ersten weiblichen Protagonistinnen in der Gaming-Welt und ist bis heute die bekannteste. Ursprünglich sollte das Spiel wohl einen männlichen Helden haben, doch das Entwicklerteam von Core Design suchte für den Abenteurer ein Alleinstellungsmerkmal – und änderte das Geschlecht.
Es waren auch die jungen und hübschen Lara-Croft-Models, die auf Spielemessen von Anfang an für Aufmerksamkeit sorgten. Doch das Game wurde nicht nur darum ein Erfolg. Für die Spielerinnen der ersten Stunde war die durchsetzungsstarke Archäologin eine Identifikationsfigur in der männlich dominierten Computerspielwelt. Daher verwundert nicht, dass Lara Croft für viele Mädchen und Frauen ein Vorbild ist. Spielerinnen berichten, dass sie sich durch das Spielen stark und fähig fühlen – und ich bin eine von ihnen. Wenn wir über den Joystick oder die Tastatur für Lara entscheiden und ihr über die Schulter schauen, fühlen wir uns, als wären wir sie.
Doch mit wem identifizieren wir uns da eigentlich?
Von Anfang an wurde Lara Croft als unabhängige und starke Frau etabliert. Mit jedem neuen Spiel bekam die Figur mehr Hintergrund, der sie noch interessanter und spannender machte. Verluste und traumatische Erlebnisse prägten die Entwicklung der Abenteurerin – wie der oft thematisierte Tod ihrer Mutter und das Verschwinden ihres Vaters. Viel von dem, was sie weiß, stammt aus dessen Tagebuch.
Immer wieder Trauma
Von „Tomb Raider IV (1999)“ bis „Shadow of the Tomb Raider“ (2018) – immer wieder begegnen wir der jugendlichen oder kindlichen Lara und erhalten eine weitere Facette, wie sie zu der starken und klugen jungen Frau geworden sein soll, mit der man als Spieler*in vorm Bildschirm verschmilzt. Lara Crofts Unabhängigkeit wird somit gefeiert als Ergebnis eines Traumas. Das posttraumatische Wachstum ist ein psychologisch untersuchtes Phänomen, und insofern ist nichts falsch daran, es für eine Geschichte zu verwenden.
Solange diese Geschichte aber immer wieder von den Traumata handelt, werden sie nie überwunden. Der Kampf um Emanzipation wird zu einer Art Selbstzweck. Auf diese Weise ist Lara Croft eine „werdende“ Heldin geworden, die ihre Stärke ständig neu erkämpfen muss. Sie wird nie erwachsen – und darum auch nie alt.
Mit Phoebe Waller-Bridges steht eine talentierte Frau Patin für die neue Tomb-Raider-Serie. Ihr ist zuzutrauen, die Figur Lara vielschichtig zu inszenieren – als eine Heldin, deren Identität nicht nur von jugendlicher Stärke und traumatischen Verlusten geprägt ist.
Die Schauspielerin Sophie Turner, bekannt aus ihrer Rolle als Sansa Stark in Game of Thrones, wird Lara Croft in der neuen Serie spielen. Sie steht damit in Nachfolge von Angelina Jolie und Alicia Vikander. Angelina Jolie war beim ersten Film 24 Jahre alt. Alicia Vikander zwar etwas älter, ihre Rolle wurde im Film aber auf 21 verjüngt. Sophie Turner ist momentan 28 – also genauso alt wie Lara im ersten Computerspiel. Vielleicht ist das ein Zeichen für einen Neuanfang. Die neue Serie könnte der Figur endlich erlauben, zu reifen.
Die berühmte 30er-Grenze
Wenn man bedenkt, dass Lara Croft laut ihrem Geburtsdatum schon 56 Jahre alt ist, dürfte man eigentlich über eine deutlich ältere Version nachdenken. Es ist paradox: Die noch nicht ausgereiften körperlichen Fähigkeiten einer Jugendlichen sind in einer Geschichte ein spannendes Gimmick – schwinden diese Fähigkeiten mit dem Alter, interessiert sich niemand dafür. Doch es gibt ein Leben jenseits der 50. In der Realität findet man 60-Jährige beim Freiklettern, der älteste Sprinter der Welt ist 105. Lara ihr tatsächliches Alter zuzugestehen, wäre ein Signal gegen die Unsichtbarkeit älterer Frauen in den Medien. Die Spielerinnen der ersten Stunde verdienen eine Heldin, die mit ihnen mitgealtert ist – und über Lebenserfahrung verfügt.
Die Vorstellung einer Lara Croft, die mit den Herausforderungen des Älterwerdens konfrontiert ist, würde der Figur eine neue Dimension verleihen. Wenn sie nicht mehr damit beschäftigt ist, durch Verlust und Trauma zu „wachsen“, könnte sie mit strategischem Denken, tiefem kulturellen Wissen, reflektiertem Umgang mit eigenen Grenzen und empathischen Beziehungen glänzen.
Vielleicht übernimmt sie sogar Verantwortung für das Kulturgut, das nach ihren jungen Abenteuern recht oft in Trümmern liegt. Lara als reife und selbstbewusste Frau darzustellen, würde die Vielschichtigkeit weiblicher Identität abbilden – und könnte auch in der Gaming-Welt ein erfrischendes Alleinstellungsmerkmal sein.
So weit sind wir leider noch nicht. Mit einer durch Waller-Bridge geschriebenen und Sophie Turner verkörperte Lara Croft erleben wir in der neuen Amazon-Serie aber mit Glück zumindest den Schritt über die berühmte 30er-Grenze.
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