Neue Spionage-Thriller zum Streamen: Bürokratie und Blutbad
Mit „The Agency“ und „Black Doves“ erscheinen zwei sehenswerte Spionage-Thriller. Was sucht das Publikum in solchen Geschichten?
Spionage-Thriller und Geheimdienstgeschichten erleben dieser Tage einen Boom wie lange nicht. Nicht dass das Genre, das im 19. Jahrhundert in Romanform seinen Anfang nahm und spätestens im Kalten Krieg – James Bond lässt grüßen – in voller Blüte stand, je wirklich aus der Mode gekommen wäre. Doch aktuell ist es präsent wie selten, auch im Seriengewand.
Allein in den zurückliegenden Monaten gab es neue Staffeln von „Slow Horses“, „Diplomatische Beziehungen“, The Old Man“ und „Lioness“, gleich zwei Ableger von „Citadel“ sowie ein Remake von „The Day of the Jackal“, und „Mr. & Mrs. Smith“ liegt auch noch nicht so lange zurück.
Mit „The Agency“ bei Paramount+ und „Black Doves“ bei Netflix kommen zwei neue Serien hinzu, die einiges gemeinsam haben, aber doch höchst unterschiedlich sind.
Das Zentrum von „The Agency“, einem Remake der französischen Serie „Büro der Legenden“, liegt im Londoner Büro der CIA. Dorthin wird ein Agent mit dem Decknamen Martian (Michael Fassbender) zurückbeordert, der zuvor undercover in Äthiopien im Einsatz war und sich dort verliebt hat.
Diese Gefühlslage ist aber nicht der einzige Fehler, der hier begangen wird, denn in der Ukraine droht die Identität eines Spions mit US-Mission aufzufliegen. Die Bosse in der britischen Hauptstadt (Richard Gere & Jeffrey Wright) sind in Aufruhr und aus Washington reist eine hausinterne Psychologin (Harriet Sansom Harris) mit eigenem Auftrag an.
„Black Doves“, auf Netflix, „The Agency“, auf Paramount+
Auch in „Black Doves“ setzt das Thema Liebe die Handlung in Gang. Helen (Keira Knightley), Ehefrau eines britischen Spitzenpolitikers, ist in Wirklichkeit im Auftrag einer geheimen und jenseits aller Staatsinteressen aktiven Organisation aktiv.
Bestätigung der größten Ängste?
Dann wird ihre Affäre erschossen, auch der chinesische Botschafter stirbt, die Chefin (Sarah Lancashire) wird nervös und Helens schwuler Auftragskillerkollege und bester Freund, Sam (Ben Whishaw), sieht sich genötigt, nach Jahren aus der Versenkung aufzutauchen. Damit ist nur ein Bruchteil der Ereignisse und Wendungen der sechs Episoden angerissen.
Dass die gegenwärtige Omnipräsenz von Geheimagent*innen auf den Bildschirmen im Zusammenhang mit der weltweiten politischen Großwetterlage steht, scheint ausgemachte Sache zu sein.
Aber sucht das Publikum in diesen Geschichten eher die beruhigende Gewissheit, dass jenseits der Nachrichtenbilder im Verborgenen Menschen agieren, die mit Fachwissen, Hightech und Schusswaffen im Zweifelsfall irgendwie das Schlimmste zu verhindern wissen?
Oder die Bestätigung der größten Ängste, dass hinter den Kulissen die Zustände viel bedrohlicher sind, als nach außen behauptet wird, und die Gefahren viel größer? Die Unterschiedlichkeit von „Black Doves“ und „The Agency“ lässt vermuten, dass es in beide Richtungen geht.
Es wird geballert
Letztere setzt auf so viel Authentizität wie möglich. Zumindest in den ersten paar der Presse vorab zur Verfügung gestellten Folgen dürfen die fehlbaren Protagonist*innen auch mal überfordert sein. Bezüge zur Realität werden bewusst geknüpft, nicht zuletzt mit Blick auf den Ukrainekrieg. Vor allem geht es hier um möglichst konkrete Einblicke in die Arbeitsmaschinerie eines Geheimdienstes: von einer rasanten Verfolgungsjagd abgesehen, köcheln Action und Spannung eher auf Sparflamme, umso präsenter ist der Büroalltag.
In „Black Doves“, einer von Joe Barton erdachten britischen Produktion, ist das Bemühen um Realismus eher Nebensache. Hier wird geballert, was das Zeug hält, das Blut spritzt reichlich und die (mitunter grandiosen) Dialoge sind derart rasant und pointiert, als habe man sich eher an Quentin Tarantino oder Guy Ritchie denn an klassischen Spionage-Thrillern orientiert. Unterhaltsamer als „The Agency“ ist das allemal, auch als Weihnachts- und Freundschaftsgeschichte der etwas anderen Art.
Allerdings sind die bemühte Coolness und der sprunghafte Tonfall auch anstrengend. Nicht zuletzt die ebenso prominent besetzten Ensembles machen die visuell überzeugenden Serien sehenswert.
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