Neue Serie zu britischem Polit-Skandal: Von ihr selbst erzählt

Hochverrat? Die TVNow-Serie „Die skandalöse Affäre der Christine Keeler“ interessiert sich endlich für die Protagonistin des „Profumo“-Skandals.

Eine Frau ist von Journalisten umgeben

Sophie Cookson ist umwerfend in der Titelrolle der Christine Keeler Foto: Ecosse Films 2019/RTL/TVNow

Liegt’s an der Monarchie? Oder an der besonders ausgeprägten Klassengesellschaft? Nirgends scheint es jedenfalls einen derart fruchtbaren Boden für Skandale aller Art zu geben wie in Großbritannien. Und nirgends widmet man sich auch deren Aufdeckung und der medialen Aufarbeitung leidenschaftlicher. Selbst in Film und Fernsehen hat sich inzwischen irgendwo entlang der Grenze zwischen Historiendramen und True-Crime-Geschichten ein neues Subgenre etabliert, das sich den pikantesten dieser Fälle widmet, wie nach Stephen ­Frears „A Very English Scandal“ nun auch der Sechsteiler „Die skandalöse Affäre der Christine Keeler“ unter Beweis stellt.

Die Ereignisse, um die es in der von der Autorin Amanda Coe verantworteten Serie (zu sehen seit dem 27. September bei TVNow) geht, kennt man gemeinhin als die Profumo-Affäre. John Profumo, Anfang der 1960er Jahre Kriegsminister der konservativen britischen Regierung und aussichtsreicher Anwärter auf den Posten des Premiers, musste nach Monaten der Täuschungen, MI5-Untersuchungen und endlosen Presseberichten eine Affäre mit der 19-jährigen Christine Keeler eingestehen. Ein Skandal war das nicht nur deswegen, weil der Politiker verheiratet war, sondern weil er erstens im Parlament gelogen hatte und zweitens die junge Frau auch Umgang mit einem hochrangigen Mitarbeiter der sowjetischen Botschaft pflegte und der Verdacht von Spionage und Hochverrat aufkam.

Die Geschichte des Vorfalls, in dem die treibende Kraft der Londoner Osteopath und Lebemann Stephen Ward war, der gerne junge Frauen mit einflussreichen Männern zusammenbrachte, wurde schon häufiger aufgegriffen und erzählt, sei es in dem Film „Scandal“ mit John Hurt und Ian McKellen, im Musical „Stephen Ward“ von Andrew Lloyd Webber oder auch in einer Folge der zweiten Staffel von „The Crown“. Was nun „Die skandalöse Affäre der Christine Keeler“ (von der BBC übrigens schon Ende 2019 ausgestrahlt) auszeichnet, ist die Perspektive: Denn während der Fokus sonst meist auf Profumo oder Ward lag, interessiert sich die Serie nun maßgeblich für Keeler selbst.

Amanda Coe, die schon den sehenswerten Vierteiler „Nachdem ich ihm begegnet bin“ schrieb, rüttelt nicht an hinlänglich bekannten Fakten (Keeler selbst wurde wegen Meineid zu neun Monaten Haft verurteilt), setzt aber neue Schlaglichter. Sie zeigt auf, dass nicht nur Sex und Macht, sondern auch Faktoren wie soziale Herkunft und Rassismus in dem Fall eine Rolle spielten – und sie begnügt sich nicht damit, ihre fraglos naive Protagonistin auf Stereotype wie schmückendes Beiwerk oder durchtriebenes Luder zu reduzieren, wie es die Männer in ihrem Umfeld genauso wie die Presse taten.

Sehenswert wie immer

Visuell ist all das so aufwändig-gediegen umgesetzt, wie man es von einer Produktion dieser Art inzwischen erwartet; und auch schauspielerisch ist britische Qualitätsarbeit angesagt. Sophie Cookson – die in dem Film „Geheimnis eines Lebens“ schon in einen anderen, weniger glamourösen Spionageskandal verwickelt war – ist umwerfend in der Titelrolle, James Norton (ab kommender Woche auch in „Nowhere Special“ im Kino zu sehen) als Ward sehenswert wie immer und der zu Unrecht viel zu unbekannte Ben Miles als Profumo erfreulich subtil.

Auch dass die der Serie zugrunde liegende Affäre aus heutiger Sicht fast ein wenig harmlos wirkt, tut dem Vergnügen keinen Abbruch, zumal Coe sowie die Regisseurinnen Andrea Harkin und Leanne Welham die Geschichte hinreichend schwungvoll erzählen. Einzig das Aufbrechen der Chronologie durch permanente Zeitsprünge wirkt arg bemüht und überflüssig. Viel zu viele Serien dieser Tage erliegen der Annahme, mindestens drei verschiedene Handlungsebenen pro Folge müssten sein, um irgendwie als komplex und clever zu gelten. Doch in Wirklichkeit sorgt eine solche Erzählstruktur in den seltensten Fällen für Mehrwert, sondern verwirrt im Gegenteil eher unnötig, wie aktuell – apropos Skandalaufarbeitung – auch „American Crime Story – Impeachment“ auf ganz besonders enervierende Weise zeigt.

Ein Glück, wenn die Geschichte, die es dabei zu erzählen gilt, wie im Fall von „Die skandalöse Affäre der Christine Keeler“ stark genug ist, das aufzufangen.

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