Neue Regierungschefin in Thailand: Der Shinawatra-Clan ist zurück
Paetongtarn Shinawatra, Tochter des früheren Premiers Thaksin, ist neue Regierungschefin in Thailand – mit 37 die jüngste aller Zeiten.
Die Wahl kommt nur zwei Tage nach der Absetzung von Premier Srettha Thavisin durch das Verfassungsgericht. Paetongtarn ist ein Sprössling des bekannten Shinawatra-Clans: Sie ist die Tochter des Milliardärs und früheren Regierungschefs Thaksin Shinawatra und die Nichte der früheren Ministerpräsidentin Yingluck Shinawatra.
Beide waren jeweils mehrere Jahre an der Macht, wurden dann aber durch Militärcoups entmachtet und gingen ins Exil. Im stark polarisierten Königreich hat die Familie aber weiter viele Anhänger.
Mit Paetongtarn, die unter anderem in Großbritannien studiert hat, leitet nach ihrer Tante erst zum zweiten Mal eine Frau die Geschicke des Landes. Sie galt bei der Parlamentswahl 2023 bereits als neuer Stern am thailändischen Politik-Himmel und absolvierte den Wahlkampf damals sogar hochschwanger. Nächste Woche feiert sie ihren 38. Geburtstag.
Paetongtarns Vater weiterhin ein Strippenzieher
Die Regierungskoalition, die im Parlament über eine komfortable Mehrheit verfügt, hatte Paetongtarn am Donnerstag als einzige Kandidatin aufgestellt. Die Nominierung kam überraschend, nachdem zuvor der ehemalige Justizminister Chaikasem Nitisiri (75) als Spitzenkandidat gehandelt wurde. Es gab aber Spekulationen, dass der Politiker nicht bei bester Gesundheit sei. Vorausgegangen war Berichten zufolge ein Treffen der Parteispitzen im Anwesen der Shinawatras in Bangkok.
Paetongtarns Vater, einer der reichsten Männer des Landes, war seit 2008 im selbst auferlegten Exil. Erst im August vergangenen Jahres war der Medienunternehmer nach Thailand zurückgekehrt. Im Juni wurde er wegen Majestätsbeleidigung angeklagt. Thaksin gilt trotz vieler juristischer Probleme weiterhin als einflussreicher Strippenzieher.
Der Vorgänger der neuen Regierungschefin, Srettha (62), war am Mittwoch im Rahmen einer Klage seines Amtes enthoben worden. Dutzende konservative Senatoren hatten dem Regierungschef vorgeworfen, mit der Ernennung eines vorbestraften Ministers gegen die ethischen Regeln verstoßen zu haben. Dem stimmte das Verfassungsgericht – für viele überraschend – zu. Politischen Beobachtern zufolge war es bereits das fünfte Mal, dass eine von Pheu Thai geführte Regierung durch einen Putsch oder einen Gerichtsbeschluss abgesetzt wurde.
In den vergangenen Jahrzehnten gab es in Thailand immer wieder Staatsstreiche, Militärregierungen und Straßenproteste der Demokratiebewegung. Erst in der vergangenen Woche hatte das Verfassungsgericht auf Druck konservativer Kräfte die Auflösung der progressiven Move-Forward-Partei (MFP) angeordnet – des eigentlichen Gewinners der Parlamentswahl vom Mai 2023.
Die vor allem bei jungen Thais beliebte Partei, die sich für eine Änderung des strengen Gesetzes zur Majestätsbeleidigung eingesetzt hatte, war nach wochenlangen politischen Wirren von der Pheu Thai ausgebootet worden und musste in die Opposition. Eine Reform des Gesetzes, das bei Zuwiderhandeln langjährige Haftstrafen vorsieht, gilt nach wie vor als Tabu. Nach ihrer Auflösung hat sich die MFP kürzlich unter einem anderen Namen neu gegründet: People's Party (PP/Volkspartei).
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles