Neue Regeln für die Jagd: Gänseballern im Weltnaturerbe
Niedersachsens neue Jagdschutzverordnung erlaubt die Jagd auf Gänse im Naturschutzgebiet. Naturschützer und Jäger sind sich einig, dass das Unfug ist.
Diese sogenannte Intervalljagd ist neu in der Verordnung verankert worden. Demnach dürfen bis zum 30. November jedes Jahres in zweiwöchigem Rhythmus in wechselnden Teilgebieten der Vogelschutzgebiete Graugans und Kanadagans geschossen werden. Außerhalb von Schutzgebieten ist die Jagd auf Wildgänse bis zum 15. Januar ohnehin erlaubt. Naturschützer und Jäger sind sich einig – wenn auch aus verschiedenen Gründen: Die Intervalljagd ist Unfug.
„Das ist doch völlig wahnsinnig“, erregt sich Johann Beuke, stellvertretender Vorsitzender des ökologischen Jagdvereins (ÖJV). „Als normaler Mensch darfst du beispielsweise das Vogelschutzgebiet im Petkumer Deichvorland bei Emden gar nicht betreten. Aber Jäger dürfen dort Gänse abballern. Unglaublich.“ Eleganter formuliert Helmut Damann-Tamke, in der CDU-Landtagsfraktion Fachsprecher für Landwirtschaft und Vorsitzender der niedersächsischen Landesjägerschaft, seine Kritik an der neuen Jagdschutzverordnung: „Wir müssen dort immer jagen, um die Bauern zu entlasten.“
Aktenkundige Ursache des Konfliktes zwischen Naturschützern, Politikern und Jägern sind Wildgänse. Die folgen seit Jahrhunderten ihrem Zugtrieb auf einer Route über Norddeutschland hinweg. Deswegen wurde die Küste auch als Weltnaturerbe ausgezeichnet. In den Wintermonaten fressen sich die Zugvögel aus arktischen Regionen im Wattenmeer und in den anliegenden Küstenregionen Fettreserven für ihre anstrengende Reise an. Das Wattenmeer, die Ästuare und die Küstenregion bieten ihnen dafür reichlich kalte Büffets.
Allianz gegen Gänse
Heute locken auch zunehmend gut gedüngte Weiden die Gänse an, denn die mögen fette, nährstoffreiche Weiden. Und darum mögen Bauern keine Gänse, weil die Landwirte das Gras brauchen, um ihre im Stall gehaltenen Hochleistungskühe für die stetig steigende Milchproduktion zu päppeln. „Die Gänse sind unser Übel“, wird der FDP-Politiker und Bauer Arnold Veenema aus dem Rheiderland nicht müde zu erklären. „Landwirte, Grundbesitzer, Jagdpächter und Jäger haben sich zu einer Allianz zusammengeschlossen. Gegen die hat Minister Meyer keine Chance“, sagt Beuke. Die Jagd bringt den Bauern außerdem zusätzliches Geld, denn sie können ihre Flächen zum Schießen verpachten.
Landwirtschaftsminister Meyer argumentiert so: „Durch die Intervalljagd kommen die Gänse in Teilgebieten der Schutzgebiete zur Ruhe, das reduziert den Abfraß auf Weideflächen.“ Biologe Helmut Krukenberg ist ausgewiesener Gänseexperte und war an den Verhandlungen zwischen Bauern und Politikern beteiligt. „Die Flächen für die Intervalljagd sind unklar begrenzt“, sagt er. „Grundsätzlich führt jede Störung der Gänse zu Aufregung. Das heißt, die Tiere fliegen auf und müssen an anderer Stelle noch mehr fressen.“
Johann Beuke, Ökologischer Jagdverein
Tiere in Hektik
Krukenberg weist außerdem darauf hin, dass die Bauern in den betroffenen Gebieten jedes Jahr bis zu sieben Millionen Euro Ausgleichszahlungen für Gänsefressschäden bekommen. Sie sollen die Tiere zur Ruhe kommen lassen. Mit Jagd oder auch Intervalljagd werden die Tiere weiter in Hektik versetzt, so Krukenberg.
„Es gibt ein Gänsemonitoring. Aber die Aussagen über Fressschäden stammen von Bauern. Wirklich kontrollieren kann man die Schäden nicht“, sagt Johann Beuke vom ökologischen Jagdverein. Sicher gebe es Schäden. „Aber wo sollen die Gänse denn äsen, wenn es an der Küste intensive Landwirtschaft gibt?“ Der Schulterschluss zwischen Grundbesitzern, Jägern und Bauern mache das Totschießen von Wildtieren zu einem gesellschaftlich akzeptierten Ereignis.
Gerd Ludwig Will, einziger Jäger innerhalb der SPD-Fraktion im Landtag, möchte die Jagd befördern. Er hat eine Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Jäger gegründet. Sein Argument: „Die SPD-Landtagsfraktion erkennt nicht die Bedeutung der Jagd und der Jäger.“
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