Neue Regeln für Ökoprodukte: Aus für die EU-Bio-Agentur
Eine zentrale Kontrollstelle scheitert am EU-Parlament. Die sollte eigentlich in Betrugsfällen tätig werden und so das Vertrauen in die Branche steigern.
Mit der Erneuerung der EU-Ökoverordnung will die EU-Kommission das Vertrauen von VerbraucherInnen in Bioprodukte stärken und Regeln vereinheitlichen. Noch ist der Reformprozess nicht abgeschlossen: Mit der jetzigen Abstimmung des Landwirtschaftsausschusses beginnen die Trilog-Verhandlungen zwischen Rat, Kommission und Parlament für den endgültigen Entwurf.
Häusling hatte die Agentur unter anderem als Kontrollinstanz vorgesehen, die sich in Verdachtsfällen von Biobetrug einschaltet und über die Ländergrenzen hinweg Informationen dazu koordiniert. Bei den Skandalen in den vergangenen Jahren war das Fehlen einer solchen Stelle immer wieder bemängelt worden. Häusling beklagte nach der Abstimmung vor allem eine heftige Einmischung der EU-Kommission in die Meinungsbildung der Parlamentarier.
„Die Mehrheit im Agrarausschuss hat viele gute Kompromissanträge mitgetragen, obwohl die Kommission in den letzten Tagen auf unfaire Weise und am offiziellen Verfahren vorbei Abgeordnete in Einzelgesprächen unter Druck gesetzt hat, um bestimmte Kompromisse zu Grenzwerten und zur Einrichtung einer Agentur auf EU-Ebene zu verhindern“, schreibt Häusling in einer Stellungnahme. Es sei schon sehr ungewöhnlich, dass der Kommissar selbst drohe, er wolle die Verhandlungen platzen lassen, sagte Häusling der taz.
taz.ökobiz beschäftigt sich gezielt mit Geschichten aus der nachhaltigen Wirtschaft – mit Analysen, Reportagen, Hintergründen. Regelmäßig auf taz.de und gebündelt auf einer Seite montags in der taz.die tageszeitung. Am Kiosk oder am eKiosk.
Der Abgeordnete zeigte sich dennoch zuversichtlich: Die Bioagentur sei zwar in den Abstimmungen nicht durchgekommen, aber sowohl die Kommission als auch der Rat seien nun aufgefordert, in den Verhandlungen Vorschläge zu machen, wie die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten etwa in der Kontrolle verbessert werden könne.
Deutsche Biobranche kritisiert Pestizid-Klausel
Die deutsche Biobranche bewertet die Ergebnisse der Abstimmungen grundsätzlich positiv. Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) kritisiert allerdings, dass die Parlamentarier sich zwar dagegen ausgesprochen haben, besonders niedrige Biogrenzwerte für Pestizidverunreinigungen einzuführen, mit einer Klausel aber der EU-Kommission die Möglichkeit offengehalten haben, das ab 2020 zu revidieren.
Diese speziellen Grenzwerte waren in der deutschen Branche äußerst umstritten. Ein Grund dafür ist, dass Biobauern fürchten müssten, dass der Wind Pestizide von nicht ökologisch bewirtschafteten Nachbarfeldern auf ihre Flächen weht – und sie die Grenzwerte trotz der eigenen Bemühungen nicht einhalten könnten und so ihre Zertifizierungen verlieren. Das EU-Parlament schaffe das Gegenteil von dem, was nötig sei, sagt Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des BÖLW: „Wir brauchen Rechtsklarheit und Investitionssicherheit für die Betriebe und Unternehmen, die in die Bioproduktion einsteigen oder diese ausbauen wollen.“
Felix Prinz zu Löwenstein, BÖLW
Häusling sagte dagegen, er glaube nicht, dass niedrigere Grenzwerte allein jemanden davon abhalten könnten, in die Bioproduktion einzusteigen. Ihm scheine der Preis, den die Landwirte etwa für einen Liter Biomilch bekommen, ein wichtigeres Argument. Ähnlich sieht das Norbert Lins, Bioexperte der konservativen EVP-Fraktion. Dass doch noch Grenzwerte eingeführt werden könnten, gefalle ihm nicht. Aber die Parlamentsposition sei klar: In der neuen Verordnung sollten keine besonderen Grenzwerte für Bio stehen. Die Befürchtungen seien also übertrieben.
Doch die Branche zweifelt nach wie vor. „Die Diskussion und die lang anhaltende Revision der Verordnung bringt Bio nicht nach vorn“, sagt BÖLW-Geschäftsführer Peter Röhrig. Schon jetzt stellten immer weniger Bauern ihre Produktion neu um.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation