Neue Partei in der Türkei: Erdoğans Endkampf beginnt

Mit der religiös-konservativen Zukunftspartei will Ex-Premier Ahmet Davutoğlu der AKP Konkurrenz machen. Er ist nicht der einzige Abtrünnige.

Davutoğlu und seine Frau haben den Arm zum Gruß.

Grüßen hier noch die AKP-Anhänger: Davutoğlu und Ehefrau Sare 2015 in Kahramanmaraş Foto: reuters

ISTANBUL taz | Lange hat es gedauert, nun ist es so weit: Ahmet Davutoğlu hat mit rund 150 Gründungsmitgliedern eine neue Zukunftspartei ins Leben gerufen. Das gab der frühere Ministerpräsident und AKP-Chef am Freitag bekannt. In einer einstündigen Rede machte Davutoğlu klar, dass seine Partei zu den Werten zurückkehren will, die die AKP in ihren ersten Jahren ausgezeichnet habe.

„In einer Welt voller autoritärer und populistischer Tendenzen müssen wir ein Land aufbauen, in dem Menschen erhobenen Hauptes und mit freiem Willen leben können“, sagte Davutoğlu. Das Land müsse wieder „zur Meinungsfreiheit und zu einer unabhängigen Justiz zurückkehren“.

Viele Mitgründer der Zukunftspartei sind frühere Bewunderer von Präsident Recep Tayyip Erdoğan, die jetzt enttäuscht sind, weil sie entweder – wie Davutoğlu – ihre Posten verloren haben oder aber tatsächlich die One-Man-Show von Erdoğan innerhalb der AKP und im ganzen Land ablehnen. Davutoğlu war von 2009 bis 2014 Außenminister und anschließend bis 2016 Ministerpräsident, bevor Erdoğan ihn schließlich absetzte. Im vergangenen September trat er aus der AKP aus.

Kritik an Erdoğan auch aus den eigenen Reihen gibt es schon lange. Nicht nur von Davutoğlu, auch von dem früheren Präsidenten Abdullah Gül und dem einstigen Wirtschaftsstar der AKP, Ali Babacan, wurde seit Jahren gemunkelt, sie stünden bereit, eine Alternative zu Erdoğan zu formieren. Doch außer heißer Luft kam dann nichts; niemand traute sich, den scheinbar allmächtigen Präsidenten offen herauszufordern.

Das hat sich jetzt aus zwei Gründen geändert: Die Wirtschaftskrise in der Türkei bringt Erdoğan bei vielen ehemaligen Wählern in Misskredit, und der Wahlsieg der Opposition im Frühsommer in Istanbul hat gezeigt, dass selbst der große Erdoğan an der Wahlurne schlagbar ist. Dass es mit Davutoğlus Parteigründung gedauert hat, liegt an dem Einmarsch der Türkei in Nordsyrien. Der dadurch befeuerte nationale Überschwang machte eine oppositionelle Parteigründung vorübergehend unmöglich.

Auch Babacan und Gül scheren aus

Auch Ex-Wirtschafts- und Außenminister Babacan will noch vor Jahresende mit Unterstützung von Ex-Präsident Gül seine neue Partei aus der Taufe heben. Bei vielen Beobachtern gilt Babacan als die seriösere Konkurrenz zu Erdoğan. „Er ist kein Blender und er ist ein Demokrat“, sagte der ebenfalls aus der AKP ausgetretene deutsch-türkische Abgeordnete Mustafa Yeneroğlu gegenüber der taz in einem Hintergrundgespräch vor einigen Wochen.

Babacan, der ab 2002 als Wirtschaftsminister den Aufschwung der Türkei organisierte, wird auch jenseits der von Erdoğan enttäuschten muslimischen Kernklientel, auf die Davutoğlu abzielt, im säkularen Lager geschätzt.

Da die nächsten regulären Präsidentschafts- und Parlamentswahlen erst 2023 anstehen, wird jetzt darüber spekuliert, ob es den beiden Parteigründern gelingen kann, Abgeordnete aus der bestehenden AKP-Fraktion für sich zu gewinnen. Sollte das gelingen, könnte Erdoğan auch ohne Neuwahl seine Mehrheit im Parlament verlieren.

Der Präsident ist sich der Gefahr offenbar bewusst. Nachdem er zu den Gerüchten über Parteineugründungen im konservativen Lager lange geschwiegen hat, griff er Davutoğlu vor einigen Tagen scharf an und warf ihm Korruption vor. Davutoğlu feuerte umgehend zurück und forderte, alle ehemaligen und amtierenden Präsidenten und Ministerpräsidenten sollten ihre Vermögenswerte offenlegen. Er sei sofort dazu bereit. Erdoğan blieb eine Erwiderung schuldig.

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