Neue Linke-Chefin Kipping: Das Ende der Rechthaberei
Seit Katja Kipping die Linkspartei mit anführt, ist der Kleinkrieg der Flügel verschwunden. Nun soll die Partei auch im Wahlkampf verständiger auftreten.
BERLIN taz | „Ich bin Katja“, sagt die Vorsitzende der Linkspartei. Sie betritt die Küche und lächelt eine robust wirkende 65-Jährige an. Katja Kipping besucht ein besetztes Haus in Berlin-Pankow. Die Besetzer sind allesamt Rentner, das Haus ist ein Seniorentreff, den der klamme Bezirk verkaufen will. Die Visite ist ein Heimspiel. Gregor Gysi war auch schon hier. Die Besetzerinnen klagen, dass der SPD-Bürgermeister in Pankow, der zuständig ist, sich noch nicht hat blicken lassen. Stolz zeigten sie die dicke Pressemappe. Sogar in Tahiti gab es einen Zeitungstext über die Aktion.
Kipping bestaunt beim Rundgang ordnungsgemäß die Pritschen, auf denen die Besetzerinnen nächtigen, um ihr Haus zu verteidigen. Man frühstückt Schrippen mit Honig, das Gespräch plätschert recht sommerlich dahin. Die 34-Jährige hört viel zu und sagt eher wenig. Sie kann gleichermaßen ein bisschen schüchtern und vertraulich wirken. Seit gut zwei Monaten ist sie Chefin der Linkspartei. Seitdem versucht sie die Partei zu verändern. Nicht mit einem Gongschlag, eher unaufdringlich, aber bestimmt.
Katina Schubert, Landesgeschäftsführerin der Linkspartei in Berlin, lobt die neue Vorsitzende: „Sie hat einfach einen anderen Stil, offener und diskursiver. Nicht mehr diese ewige Rechthaberei.“ Schubert war mal Vize-Vorsitzende der Linkspartei, ehe sie wegen Lafontaines autoritären Habitus das Amt niederlegte. Nach innen scheint der neue Kipping-Stil bislang zu wirken.
Seit sie mit dem Schwaben Bernd Riexinger die Partei führt, ist der dauernde Kleinkrieg, den sich die Flügel zuvor mit Inbrunst lieferten, fast verschwunden. Mag sein, dass auch die Sommerpause dabei geholfen hat. Aber das neue Duo bietet viel weniger Angriffsflächen als ihre kommunikativ ungeschickten Vorgänger Gesine Lötzsch und Klaus Ernst.
Nun soll die Linkspartei auch nach außen anders auftreten: verständiger, zugewandter und offener. Der Wahlkampf 2013 soll in einer „zuhörenden, einbindenden, einladenden Tonalität angelegt sein“. So steht es in einem neunseitigen Papier, mit dem Kipping und Riexinger die Partei neu aufstellen wollen. Viel ist darin von Mitmachen und Zuhören die Reden. „Oft ist der Zungenschlag entscheidend, ob sich bestimmte Milieus angesprochen fühlen.“ Auch beim Verhältnis zu Rot-Grün ist Kippings Handschrift zu erkennen, allerdings eher vage.
Ein weicherer Tonfall
Der SPD gegenüber will man eine Doppelstrategie einschlagen, „klare Kritik an Fiskalpakt, Militäreinsätzen, rot-grüner Deregulierung der Finanz- und Arbeitsmärkte“ mit einer vorsichtigen Öffnung verbinden. So soll die Diskrepanz der SPD zwischen Worten und Taten bloßgelegt werden; gleichzeitig will man „die Möglichkeiten – über pure Rhetorik hinaus – für eine andere Politik deutlich machen“.
Das ist kein Kursschwenk Richtung Regierungsbeteiligung, auch kein Abschied von den enggesteckten roten Linien. Es ist, wie so vieles bei Kipping, ein weicherer Tonfall. Die Linie zu Rot-Grün bleibt gleich, aber der ermüdende rhetorische Dauerbeschuss wird gedrosselt.
Katja Kipping sitzt in ihrem Büro im Karl-Liebknecht-Haus in Berlin und muss jetzt mal kurz über die Frage nachdenken. Was hat sie in den zwei Monaten als Parteivorsitzende am meisten überrascht? „Dass es so schwierig ist, ein kleines Ökoauto als Dienstwagen zu bekommen“, sagt sie schließlich. Denn es gibt Leasingverträge, die man kündigen muss, das passende Ökoauto muss gesucht und berücksichtigt werden, was der Fahrer wünscht. Katja Kipping will die Linkspartei mehr im Heute andocken und auch für Ökothemen öffnen. Das ist schon bei kleinen Dingen wie dem Dienstwagen ziemlich kompliziert.
„Ich will kein Alphatier sein, das einsam an der Spitze steht“, sagt sie. Sie vertraue lieber „auf die kollektive Weisheit“. Das ist ihr roter Faden. Sie verströmt eine Art Urvertrauen in die Demokratie: dass es gut wird, wenn sich möglichst viele am Diskurs beteiligen, und dass Politik ohne Offenheit nach unten erstickt. Die Linkspartei beginnt ein interessantes Experiment.
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