Neue Krimiserie bei ZDF Neo: Mieses Wetter, miese Stimmung
Die Ermittlerin säuft, sie ist ruppig, einfühlsam, impulsiv und tollpatschig. Sonst ist an „Vera – Ein ganz spezieller Fall“ aber leider nichts speziell.
Wie schafft man es, aus einer mittelmäßigen Kriminalgeschichte einen spannenden Serienauftakt zu machen? Durch den Titel „Vera – Ein ganz spezieller Fall“ schon mal nicht. Ebenso austauschbar ist der Name der ersten Folge: „Verborgene Abgründe“. Also müssen die Rollen und deren Besetzung retten, was noch zu retten ist.
In diesem ganz speziellen Fall schafft das am ehesten die Kommissarin Vera Stanhope, gespielt von der Britin Brenda Blethyn, bekannt als Mutter Bennet aus dem Film „Stolz und Vorurteil“. Vera ist eine ruppige, aber einfühlsame Frau. Sie geht über die Grenzen der Ermittlungsarbeit hinaus. Sie gewinnt das Vertrauen der Hinterbliebenen. Sie ist clever. Patent, hätte man früher über eine wie Vera gesagt.
Am Anfang des Kriminalfalls stehen – natürlich – Leichen. Zwei sind es diesmal. Beide Opfer sind kurz nacheinander zu Tode gekommen. Neben den toten Körpern liegen Wildblumen verstreut. Zuvor beobachteten zwei Jugendliche eine heimliche Affäre zwischen dem verheirateten Wissenschaftler Peter Calvert und einer jungen Frau. Einer der beiden Jungen wird später in seiner Badewanne tot aufgefunden. Die zweite Tote ist eine junge Lehrerin. Schon bald ist eine Gruppe Vogelbeobachter verdächtig, der auch Calvert angehört.
Der Zuschauer darf die Morde nicht oder nicht in allen Details miterleben. Er tappt genauso im Dunkeln wie die Kommissare. Die Kriminalgeschichte, die auf den Romanen von Ann Cleeves basiert, scheint künstlich verworren und in die Länge gezogen. 90 Minuten können sehr lang sein. Die Atmosphäre ist durch das Wetter in der Küstenstadt Newcastle immerzu rau, kalt und windig. Die Bilder wirken gedämmt und dunkel. Dazu gibt es Klarinettenmusik. Alles sehr deprimierend.
Immerhin gibt es Vera. Sie trinkt im Dienst gerne mal einen und isst verdorbene Eclairs, weil sie einfach Lust darauf hat. Im Privatleben muss sie gerade den Verlust ihres Vaters verkraften. Dies schafft sie nur mit der Unterstützung ihres Arbeitskollegen Joe Ashworth, gespielt von David Leon. Joe schüttet auf Veras Wunsch die Asche ihres verstorbenen Vaters ins Meer. Im Gegenzug möchte Joe, dass Vera die Patentante seines ungeborenen Kindes wird. Dies ist ihr zu viel der Gefühlsduselei, sie lehnt ab.
Vera ist tollpatschig, Vera ist impulsiv – und Vera muss am Ende leider zur Heldin werden, als sie den potenziellen Mörder davon abhalten will, einen weiteren Mord zu begehen. Natürlich traut man dieser starken Frau eine pathetische, überzeugende Rede zu, die das Gewissen des potentiellen Täters erreicht, aber sie ist unnötig. Es passt nicht zu ihr. Dieses Pathos degradiert „Vera“ zu einer Krimiserie, wie man sie schon zigmal im Fernsehen sehen konnte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bundestag bewilligt Rüstungsprojekte
Fürs Militär ist Kohle da
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht räumt Irrtum vor russischem Angriff ein
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren