Neue Krimi-Serie auf Sat.1: Good cop, sad cop
Diese unstillbare Sucht nach Orangensaft: In "Hannah Mangold und Lucy Palm" kehrt eine psychisch labile Polizistin in den Job zurück - und kämpft nicht nur gegen Kriminelle.
Sie ist nicht die erste psychisch herausgeforderte Ermittlerin im deutschen TV-Krimi – aber so eine wie Hannah Mangold gab es noch nie. So richtig kennen lernt man sie in einem Berliner Spätverkauf, wo sie am Kühlregal vor Smoothies und Fruchtsaft schwitzt.
Mangold ist am Ende. Weil sie nicht verhindern konnte, dass ein Täter, den sie in den Knast brachte, irrtümlich eine Freundin ihrer Tochter erschoss. Monate in der Psychiatrie hat sie hinter sich, doch die Angst ist immer noch da – und diese unstillbare Sucht nach Orangensaft.
Es hilft aber nichts – Mangold soll wieder in den Dienst, natürlich nicht mehr als Dezernatsleiterin, die sogar vom Polizeipräsidenten gefördert wird. Hinten anstellen ist angesagt und erst mal keine Waffe.
Die Begeisterung in ihrer alten Abteilung hält sich in engen Grenzen, noch rustikaler fällt nur die Begrüßung von ihrer neuen Partnerin aus: "Der Mob diskutiert gerade, ob ,die Irre' der passende Spitzname für Sie ist", sagt Lucy Palm. Und man ahnt: Das wird Liebe auf den zweiten Blick. Aber das ist so gut inszeniert und gespielt, dass "Hannah Mangold und Lucy Palm" ein längeres Leben als dieser Pilotfilm beschert sein möge.
Gnadenlos gut
Und das liegt nicht mal an Anja Kling allein, die ihre Hannah Mangold bei allen verzeihbaren Unplausibilitäten, die der Plot hier und da bereithält, gnadenlos gut spielt. Sondern mindestens genauso an der schnodderig-zickigen Lucy Palm (Britta Hammelstein), die sich endlich mal ein Benehmen traut, das sich bislang im TV-Krimi nur Kerle leisten konnten.
All das wird im Laufe der nächsten 90 Minuten subtil differenziert weitererzählt, wenn der Kratzbürste Palm daheim im süßen Erdbeerhemdchen ein Hauch von Romantik entgleitet. Und Mangold von ihrem Trauma nicht nur eine zahnärztlich bedenkliche Abhängigkeit von Süßkram mitbekommen hat, sondern intuitive Fähigkeiten, Fälle und Täter zu durchschauen.
Besser ist das, schließlich geht es um eine merkwürdige Mordserie eines Typen mit Motorradhelm – der sich unpassenderweise in Palm verguckt. Und dann ist da noch Hannahs manisch-depressive Freundin Svenja (Meike Droste), die sie in der Psychiatrie kennen gelernt hat und deren Analytiker ebenfalls Anlass zur Sorge gibt. Denn dieser Doktor Gerber (Bernhard Schütz) ist ein Sadist im Kaschmirpullover und robbt sich plötzlich an Hannahs Tochter heran.
Leichtfüßigkeit
Das alles erzählt der Film (Buch: Michael Proehl, Matthias Tuchmann, Regie: Florian Schwarz), aber trotz großartiger Fiesheit der Bösen nicht bierenst wie ein "Tatort", sondern mit behänder Leichtfüßigeit und jeder Menge Spaß an bisweilen feinsinnig schwarzem Humor. Allein wie sich Mangold und Palm bis kurz vor Toresschluss hartnäckig siezen und wie schlechte Vorgesetzte allein mit dem Nachnamen anreden, während zwischen den Zeilen immer mehr gegenseitiger Respekt und Sympathie durchquellen, ist ein netter running gag.
Gleichzeitig schafft "Hannah Mangold und Lucy Palm" auch noch locker den Spagat zwischen psychologisierendem Kommissarinnenkrimi und gefälligem Thrillergrusel. Damit ist Sat.1 wieder da angekommen, wo der in letzter Zeit arg blutleere Sender vor Jahren schon mal war: bei einer höchst sehenswerten, frischen Programmfarbe – Privatfernsehen hin oder her.
"Hannah Mangold und Lucy Palm" ist zudem kein Einzelfall. Schon letzte Woche hatte Sat.1 in respektabel runderneuerter Version seinen Wolff wieder ins Revier geschickt – was von den ZuschauerInnen allerdings noch nicht übermäßig goutiert wurde. Auch dieser Anschluss an den 1990er-Jahre-Erfolg mit Jürgen Heinrich als Wolff, der ähnlich wie Mangold psychisch vor einigen Herausforderungen steht, war als Pilotfilm gedacht, dem neue Folgen folgen könnten. Bei den Damen von der Berliner Polizei sollte der Fall nach dem absolut überzeugenden ersten Einsatz eigentlich klar sein.
"Hannah Mangold und Lucy Palm", Dienstag, 23. Januar, 20.15 Uhr, Sat.1
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