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Neue Kommission zu FluchtursachenDie Diskussion muss wehtun

Gastkommentar von Julia Steets

Die Regierung setzt eine Kommission zu Fluchtursachen ein. Deren Arbeit darf aber nicht der hiesigen Migrationsdebatte untergeordnet werden.

Flucht durch die Wüste: von Migranten verlassenes Fahrzeug in der Südsahara Foto: ap

D ie Bundesregierung setzt eine Expertenkommission zu den Ursachen von „Flucht und irregulärer Migration“ ein. Es ist unstrittig, dass Fluchtursachen gemindert werden müssen, doch gibt es auch Widersprüche. Momentan läuft viel klassische Entwicklungszusammenarbeit unter „Fluchtursachenminderung“, etwa Beschäftigungsmaßnahmen.

Das ist wichtig, setzt aber nicht bei den großen Hebeln gegen Flucht an, Verfolgung und Krieg. Wie können wir Demokratieförderung besser in der Außenpolitik verankern, wie verhindern, dass Libyen ein neues Syrien wird? Momentan tritt die EU auch deshalb nicht geschlossen auf, weil Frankreich und Italien uneins sind, welche der Konfliktparteien besser die Flucht über das Mittelmeer begrenzt.

Damit wird deutlich: Ordnen wir Politikfelder unüberlegt der Debatte über Migration und Flucht unter, verlieren wir langfristige Ziele aus den Augen. Politische Umbrüche und wirtschaftliche Entwicklung können kurzfristig zu mehr irregulärer Migration führen. Auch bei der humanitären Hilfe zeigt sich der Widerspruch: Ginge es nur um Flucht, gäbe es wenig Grund, mehr Hilfe in den Jemen zu schicken, denn fliehen können von dort nur wenige. Menschenleben zu retten aber ist ein Selbstzweck.

Bei der Wirtschaftsmigration sollte es um strukturelle Probleme gehen, die wir aus Eigeninteresse bislang nicht angehen: Handelspolitik gegenüber Entwicklungsländern, menschenrechtliche und Umweltstandards für Lieferketten, Schlupflöcher, die anderswo Steuerflucht und Korruption ermöglichen. Was das für Folgen haben kann, zeigt Mosambik: Veruntreute Milliarden-Anleihen stürzten das Land 2017 in den Staatsbankrott, auch weil die Kontrollmechanismen einer Schweizer Bank versagten.

Julia Steets ist Direktorin des Global Public Policy Institute (GPPi) und Mitglied der Expertenkommission Fluchtursachen.

Julian Lehmann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am GPPi.

Die neue Kommission sollte sich vor solchen Schwierigkeiten nicht ins Technische der Migrationspolitik flüchten. Sie sollte Prioritäten setzen und dazu Experten einbinden für Außen- und Sicherheitspolitik, Handel und Landwirtschaft, Steuer- und Finanzsystemen. Die Debatte muss zudem öffentlich und kontrovers ausgetragen werden. Erst wenn sie wehtut, ist sie wirksam.

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1 Kommentar

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  • Die Überschrift ist wirklich passend!



    Leider erscheint der ansteigende Aspekt der Klimaflüchtlinge als ignoriert?



    Aber das Zusammenspiel von Krieg und Korruption, von ökonomischer und



    industrieller Ausbeutung.. auf betreiben westlicher und EU Länder in armen Ländern tropischer Regionen... ist ja ein primäres Motiv für Flucht und Migration!.. wo durch Flucht und Migration z. B. in die USA und in die EU quasi 'hausgemacht' sind!