piwik no script img

Neue KlimazahlenCO₂-Emissionen in Deutschland sind 2024 erneut gesunken

Insgesamt wurden laut vorläufigen Zahlen 18 Millionen Tonnen weniger CO₂ ausgestoßen. Der Verkehrssektor verfehlte wie in den Vorjahren das Jahresziel deutlich.

Deutschlands Klimabilanz hat sich 2024 vor allem verbessert, weil der Anteil von Strom aus erneuerbaren Quellen gewachsen ist Foto: Jens Büttner/dpa

Berlin AFP | Die Treibhausgasemissionen in Deutschland sind 2024 erneut gesunken, wie aus vorläufigen Zahlen der Denkfabrik Agora Energiewende hervorgeht. Der am Dienstag in Berlin vorgestellten Analyse zufolge wurden die nationalen Klimaziele 2024 insgesamt eingehalten, nicht jedoch in den Sektoren Verkehr und Gebäude. Hier seien auch EU-Vorgaben verfehlt worden, wodurch erhebliche Kosten auf Deutschland zukommen können.

Insgesamt sanken die Emissionen im Vergleich zu 2023 um drei Prozent oder 18 Millionen Tonnen CO₂. Sie betrugen im vergangenen Jahr noch 656 Millionen Tonnen, was einem Rückgang um 48 Prozent seit dem Referenzjahr 1990 entspricht. Laut dem deutschen Klimaschutzgesetz wäre ein um 36 Millionen Tonnen höherer Treibhausgasausstoß zulässig gewesen.

Erreicht wurde damit zwar erneut ein historischer Tiefstand, allerdings hat sich der Emissionsrückgang verglichen mit dem Vorjahr verlangsamt. Agora Energiewende verweist auch auf Sondereffekte aufgrund der schwachen Konjunktur und verhältnismäßig milder Witterung.

Allein gut 80 Prozent des Emissionsrückgangs wurde laut der Analyse im Bereich der Energiewirtschaft erzielt. Grund ist vor allem die Stilllegung von Kohlekraftwerken mit einer Gesamtkapazität von 6,1 Gigawatt. Zugleich stieg der Anteil erneuerbarer Energien auf den Rekordwert von 55 Prozent des Bruttostromverbrauchs.

Börsenstrompreis um 18 Prozent gesunken

Ebenfalls eine deutliche Zunahme um zwölf Terawattstunden gab es demnach bei Stromimporten. Davon kamen laut Agora 49 Prozent aus erneuerbaren Quellen, etwa 25 Prozent aus Kernkraftwerken. Der Börsenstrompreis lag demnach im Jahresdurchschnitt 18 Prozent unter dem Vorjahreswert. Häufigere Phasen mit niedrigen oder sogar negativen Preisen aufgrund des hohen Angebots an Erneuerbaren fielen den Experten zufolge etwa doppelt so stark ins Gewicht wie Preisspitzen in sogenannten „Dunkelflauten“.

„Im Stromsektor zeigen die Klimaschutzmaßnahmen der letzten Jahre immer stärker ihre Wirkung: Deutschland bereitet mit einem deutlichen Plus bei den erneuerbaren Energien und der positiven Entwicklung beim Netzausbau den Weg für eine erfolgreiche Transformation in allen Sektoren“, erklärte dazu der Direktor von Agora Energiewende Deutschland, Simon Müller. „Dabei profitiert die Bundesrepublik zunehmend von sinkenden Emissionen und günstigeren Börsenstrompreisen.“

Schwieriger ist die Lage allerdings in den übrigen Sektoren. In der Industrie stiegen die Emissionen trotz der schwachen Konjunktur leicht um drei Millionen Tonnen CO₂ an. Im Gebäudebereich sorgte die milde Witterung für einen Emissionsrückgang um zwei Millionen Tonnen CO₂, witterungsbereinigt hätte es aber auch hier einen Anstieg gegeben. Im Verkehr gab es ein Minus der Emissionen um ebenfalls zwei Millionen Tonnen CO₂. Ursache war ein Rückgang des Lkw-Verkehrs, beim Pkw-Verkehr wurde ein Anstieg verzeichnet.

Insgesamt verfehlte der Verkehrssektor wie bereits in den Vorjahren das nationale Jahresziel deutlich, diesmal um 19 Millionen Tonnen CO₂. Ebenfalls eine Zielverfehlung gab es bei Gebäuden, und zwar um neun Millionen Tonnen. Die auch nach EU-Vorgaben unzureichenden Emissionssenkungen haben Folgen: Die Bundesregierung wird voraussichtlich für die Sektoren Gebäude und Verkehr Emissionsrechte anderer EU-Staaten zukaufen müssen – ansonsten drohen milliardenschwere Strafzahlungen.

Weniger neue Wärmepumpen und E-Autos

Agora Energiewende führte die Defizite bei Industrie, Gebäude und Verkehr auf eine „Verunsicherung bei Haushalten und Unternehmen“ und eine damit verbundene Investitionszurückhaltung zurück. So seien der Absatz von Wärmepumpen 2024 um 44 Prozent und die Neuzulassungen von Elektro-Pkw um 26 Prozent zurückgegangen. Auch bei energetischen Sanierungen habe es einen Rückgang gegeben.

„In der nächsten Legislaturperiode gilt es, die Transformationsdynamik aus dem Stromsektor auch in die Nachfragesektoren zu übertragen“, mahnte Müller. Notwendig seien dafür „politische Maßnahmen, die die soziale Ausgewogenheit sichern und es Haushalten und Unternehmen ermöglichen, den Umstieg zur Klimaneutralität zu schaffen“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • "Börsenstrompreis um 18 Prozent gesunken"



    Zweifelhafter Erfolg. Der wurde u.a. mit den ca. 10 Milliarden Euro "Entsorgungskosten" erkauft, die uns "Häufigere Phasen mit... negativen Preisen aufgrund des hohen Angebots an Erneuerbaren..." gekostet haben.

    • @sollndas:

      der Börsenstrompreis sinkt, weil zusätzliche Entsorgungskosten zu tragen sind? Das scheint mir ein bisschen wirr …

      • @Anna Bell:

        Nochmal nachdenken könnte helfen: Wenn Freibier in den Markt drückt, senkt das den durchschnittlichen Bierpreis.



        Die Entsorgungskosten werden nicht von der Börse getragen, sondern von anderen...

  • „Verunsicherung bei Haushalten und Unternehmen“ ist also die Ursache für die Investitionszurückhaltung bei Wärmepumpen, Elektro-Pkw und energetischen Sanierungen.

    Ohne Moos nix los? Könnte es vielleicht daran liegen, dass Unternehmen abwandern oder ganz schließen, in der Folge hundertausend Menschen ihren Job verloren haben und eine ganze Menge sich Sorgen macht, wann es auch sie treffen wird?

    Aber immerhin: wir haben ja CO2 gespart. Das ist ganz wichtig.

    Und was bedeuten "politische Maßnahmen, die die soziale Ausgewogenheit sichern und es Haushalten und Unternehmen ermöglichen, den Umstieg zur Klimaneutralität zu schaffen"?

    Genau, weg mit der Schuldenbremse, Unternehmen und Haushalte subventionieren, damit die das Zeug kaufen, was jetzt sich keiner leisten kann.

    • @EIN MANN:

      "Aber immerhin: wir haben ja CO2 gespart. Das ist ganz wichtig."



      Ja, ist es. Und zwar nicht nur, um unsere Lebensgrundlage zu erhalten, sondern auch für die Wirtschaft und die Zukunftstechnologien. Oder hätten wir auf die Entwicklung des Automobils verzichten sollen, weil sonst die Kutscher arbeitslos werden?

  • Fragwürdiger Erfolg



    18 Millionen Tonne gespart von 674 Millionen Tonnen zuvor sind nicht einmal 3%.



    Und selbst die wurden nicht "gespart", weil wir viel mehr Strom aus Polens dreckigen Kohlekraftwerke importieren, weil wir dreckiges Frackinggasd aus den USA verbrennen, weil immer mehr Energieintensive Hersteller jetzt im Ausland billiger produzieren und dort das CO2 freisetzen, und weil die Wirtschaftsflaute ein wesentlicher Grund dieser falschen Bilanz ist..



    Unsere deutsche Umweltpolitik ist ein einziges "grünes" Lügenwerk, denn rechnet man genannte Faktoren hinzu, dann haben wir mehr CO2 verursacht.

    • @Hans Dampf:

      Lesen Sie den Artikel nochmal. Was Sie hier behaupten ist schlicht falsch.

    • @Hans Dampf:

      Und so fühlt sich's auch an. Nichts wird weniger. Es wird immer mehr produziert, konsumiert, Auto gefahren. Von Einschränkung keine Spur.