Neue Kieler „Tatort“-Kommissarin: Ermittlerin mit türkischen Wurzeln
Am Sonntag ist Almila Bağrıaçık als neue Kommissarin im Kieler „Tatort“ zu sehen. Zuschauer kennen sie aus „4 Blocks“ und der „NSU-Trilogie“.
Als sie am Telefon die Zusage für die Rolle im „Tatort“ bekam, war Almila Bağrıaçık gerade im Berliner Tiergarten unterwegs. „Nach dem Anruf habe ich vor Freude erst mal ein Rad geschlagen“, erzählt die 28-Jährige, die in Berlin lebt. „Mein Hund hat mich ganz irritiert angeguckt.“
Das war vor etwas mehr als einem Jahr. An diesem Sonntag ist sie nun erstmals im Kieler „Tatort“ als Kommissarin Mila Sahin zu sehen. Dort ermittelt sie an der Seite von Kommissar Klaus Borowski (Axel Milberg). Sie folgt auf Sibel Kekilli, die 2017 ausstieg.
Für das große Publikum dürfte Almila Bağrıaçık noch ein unbekanntes Gesicht sein. Geboren wurde sie 1990 in Ankara, ihre Eltern – beide Journalisten – zogen 1995 mit ihr nach Berlin-Wilmersdorf. Im Jahr 2008, bei einem Konzert im Kreuzberger Club SO36, machte ein Fotograf Bağrıaçık auf ein Casting für einen Kinofilm aufmerksam. Sie nahm daran teil und bekam eine Rolle in dem Drama „Die Fremde“. Seitdem ist Bağrıaçık regelmäßig im Fernsehen und auf der Leinwand zu sehen.
Hervorzuheben sind vor allem zwei Rollen: In der Trilogie „Mitten in Deutschland: NSU“ spielte sie 2016 im zweiten Teil „Die Opfer – Vergesst mich nicht“ die Hauptrolle, Semiya Şimşek, die Tochter des vom NSU ermordeten Enver Şimşek. Für diese beeindruckende Darstellung erhielt sie den Deutschen Schauspielpreis in der Kategorie „Beste Nachwuchsschauspielerin“. Und in der Serie „4 Blocks“ (zweite Staffel ab 11. Oktober bei TNT) war sie Amara Hamady – eine junge Frau aus Neukölln, die mit einem arabischen Kriminellen verheiratet ist und ein neues Leben fern von Unterdrückung und Kriminalität beginnen will.
Almila Bağrıaçık
Auch in ihrem Geburtsland stand Bağrıaçık vor der Kamera. Von 2015 bis 2017 spielte sie in der türkischen Serie „Hayat Şarkısı“ mit. Dort stieg sie aus, weil eine Serienproduktion sehr zeitintensiv ist und sich schlecht mit anderen Projekten vereinbaren lässt.
Die „Tatort“-Kommissarin Mila Sahin, die Bağrıaçık spielt, wurde laut Rollenvita in Berlin geboren, die Eltern stammen aus der Türkei. „Viel Aufhebens soll um Mila Sahins Migrationshintergrund nicht gemacht werden“, sagt Bağrıaçık. „Es ist in Filmen zu oft der Fall, dass der Migrationshintergrund von Figuren in den Vordergrund gerückt und ihnen wie ein Etikett angesteckt wird. Das hat zwar manchmal seine Berechtigung. Generell wünsche ich mir aber einen entspannteren und weniger problembehafteten Umgang mit diesem Thema. Der Migrationshintergrund sollte auch mal beiläufig Erwähnung finden. Als eine Eigenschaft von vielen, die einen Menschen auszeichnen.“
Bei ihrem ersten Auftritt im „Tatort“ erfahren die Zuschauer noch nicht allzu viel über Mila Sahin. Die Episode kreist um Kommissar Borowski, der privat zu einem früheren Freund reist, den er für einen Mörder hält. Mila Sahin richtet sich derweil in ihrem Büro ein. Sie ist Spezialistin für operative Fallanalysen und hat sich gerade von Berlin nach Kiel versetzen lassen. Die Neue scheint umgänglich, selbstbewusst, kompetent und schlagfertig zu sein. Und sportlich: In ihrer ersten Szene hängt sie einen Boxsack in ihrem Büro auf.
2. September 2018, 20.15 Uhr, ARD
Eine Leidenschaft, die von der Schauspielerin auf die Rolle übertragen wurde. „Mein Vater ist Sportreporter, und ich habe als Kind viele Fotos von Boxkämpfen bei ihm gesehen“, erzählt sie. „Zuerst fand ich das brutal. Ich fragte mich, warum die sich schlagen. Aber darum geht es beim Boxen gar nicht. Sondern darum, eine Situation zu lösen, ohne selber etwas abzukriegen.“ Sie meldete sich zum Boxtraining an. „Beim Boxen muss man Seele und Körper miteinander verbinden, um etwas zu erreichen“, sagt sie. Mit ungefähr 13 Jahren war Schluss mit dem Sparring, aber Technik und Kondition trainiert sie weiterhin.
Vielleicht wäre eine gute Boxerin aus ihr geworden. Eine der begabtesten Schauspielerinnen ihrer Generation ist sie ohne Zweifel. Damit sie das auch beim „Tatort“ zeigen kann, sollte man ihr in den kommenden Geschichten aus Kiel deutlich mehr Sendezeit geben als bei ihrem ersten Einsatz.
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