Neue Grabstelle für Obdachlose: Raus aus der Anonymität
Wohnungs- und mittellose BremerInnen bekommen seit Juni eine würdevolle, letzte Ruhestätte. Vorher wurden sie auf anonymen Urnen-Grabfeldern verscharrt.
Anfang Juli ist Heinz Westerweller im Alter von 83 Jahren gestorben. Wäre sein Leben ein paar Monate früher zu Ende gewesen, wäre er genauso beerdigt worden wie die rund 20 BremerInnen, die jedes Jahr auf den Straßen oder in den Sozialeinrichtungen der Stadt sterben: Deren Leichname wurden im Rahmen von Massenbegräbnissen auf anonymen Gräberfeldern in Urnen beigesetzt, ohne Grabstein, ohne Namen, ohne Blumen. Unsichtbar liegen sie unter der Grasnarbe zwischen „richtigen“ Gräbern.
Das ist bei Westerweller anders: Er wurde auf der neuen Grabstelle für Obdachlose auf dem Waller Friedhof beerdigt. Dort gibt es Blumen, einen großen Grabstein und für jeden Toten ein steinernes Buch mit seinem Namen darauf. „Hier haben Freunde oder Verwandte endlich die Möglichkeit, vernünftig Abschied zu nehmen und eine Grabstelle, die sie besuchen können“, sagt Berthold Reetz von der Obdachlosenhilfe der Inneren Mission.
Westerweller verbrachte die letzten 17 Jahre seines Lebens im Bremer Isenbergheim. Dort bietet der Verein Innere Mission älteren Wohnungslosen eine Bleibe, die ihr Leben nicht mehr alleine meistern können. Der ehemals stark alkoholabhängige Mann machte dort ohne ärztliche Hilfe einen Entzug und engagierte sich im Heimbeirat für die Belange der Bewohner. Vor zwei Jahren schrieb er in der „Bremer Kirchenzeitung“: „Hier bin ich zu Hause und kann zur Ruhe kommen.“ Aber: Der ehemalige Obdachlose hatte weder Geld noch Angehörige.
Um Menschen wie ihm trotzdem eine würdige letzte Ruhestätte zu geben, hat die Innere Mission mit Unterstützung der Evangelischen Kirche und durch Spendengelder für die nächsten dreißig Jahre eine Grabstätte mit einem großen, alten Grabstein gekauft, auf der 96 Urnen bestattet werden können. Der Künstler Jup Mönster hat ein buntes Bild auf den Stein gemalt, das einen mit Lidl- und Aldi-Tüten, Klamotten und einer Palme vollgepackten Kinderwagen zeigt: „Wir wollten ein Motiv, das auf den ersten Blick mit Wohnungslosen in Verbindung gebracht werden kann, allerdings ohne den dazugehörigen Menschen“, sagt Reetz. Der sei schließlich gestorben und läge nun hier, unter der Erde.
Reetz hofft darauf, dass die Grabstelle nicht nur ein Ort zum Trauern und Erinnern wird: „Gerade Obdachlose blenden den Tod oft völlig aus. Vielleicht hilft ihnen die Grabstätte ja, auch über diesen Teil des Lebens nachzudenken.“
Ende Juni sind die ersten beiden Urnen beigesetzt worden. Zur Zeremonie gehörte neben der Andacht auch Musik von einer Geigenspielerin. Sie ist gerade im Urlaub und bei Westerwellers Beerdigung nicht dabei, „aber eigentlich soll sie fester Bestandteil der Trauerfeiern sein“, sagt Reetz. Dafür nehmen er, zwei Mitarbeiter und ein Bewohner des Isenbergheims und ein Mann an der Beerdigung teil, der den Toten nicht kannte: „Ich habe für die Grabstätte gespendet“, sagt er. Auf die Frage, warum er das getan habe, antwortet er: „Weil ich das für meine Pflicht halte“, und legt einen Strauß Blumen an das Grab von Heinz Westerweller.
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