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Neue Gesprächsrunde zu Stuttgart 21"Die Vertrauenskrise bleibt bestehen"

So fasst Stuttgarts OB Fritz Kuhn sein erstes Gespräch mit Bahnvertretern zusammen. Die Kommunikation soll besser werden, doch die Frage der Mehrkosten ist vertagt.

Keine lustige Herrenrunde: Der Stuttgarter OB Fritz Kuhn (v.l.), Landesverkehrsminister Winfried Hermann und der Technikvorstand der Bahn, Volker Kefer. Bild: dapd

STUTTGART taz | Schaum vor dem Mund habe er nicht gesehen, sagte Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). Doch die Aussprache sei deutlich gewesen: Die Projektpartner von Stuttgart 21 haben sich am Montag zu einem inoffiziellen Gespräch in der Landeshauptstadt getroffen, um vor allem zerstörtes Vertrauen wieder neu zu gewinnen.

Das Ergebnis des Treffens: Eine neue Vorgehensweise in den kommenden Wochen soll die Kommunikation zwischen allen Beteiligten verbessern. Doch die großen Fragen sind nach wie vor ungeklärt, die inhaltlichen Differenzen bleiben. „Ich bin mit der Feststellung einer Vertrauenskrise in die Sitzung gegangen“, sagte Stuttgarts neuer Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne). “Diese Vertrauenskrise bleibt bestehen.“

Für Kuhn war es die Premiere im Kreise der Projektpartner, zu denen neben der Stadt und dem Land auch die Region Stuttgart gehört. Völlig unklar bleibt vor allem, wer die Mehrkosten bei S21 übernimmt. Diese betragen inzwischen mindestens 1,1 Milliarden Euro, allerdings mit zusätzlichem Risiko, das die Bahn auf 1,2 Milliarden beziffert. „Das steht natürlich bei der nächsten Sitzung an“, sagte Minister Hermann. Die soll spätestens Ende Februar stattfinden.

Die Landesregierung hatte sich vor allem darüber verärgert gezeigt, dass die Deutsche Bahn im Dezember Mehrkosten in Milliardenhöhe offenlegte, nachdem sie nur wenige Wochen zuvor zugesichert hatte, dass es keine Anzeichen für derartige Steigerungen gebe.

Zwar hatte die Bahn angekündigt, dass sie die 1,1 Milliarden Euro selbst tragen wolle. Darüber muss jedoch noch der Aufsichtsrat der Bahn entscheiden. Diese Entscheidung war im Dezember vertagt worden. Ein neuer Termin dafür steht noch nicht fest, frühestens dürfte es eine Sitzung Ende Februar geben.

Oberbürgermeister Kuhn hat deshalb bereits dazu aufgerufen, sich über Alternativen zu S21 Gedanken zu machen, sollte der Aufsichtsrat gegen die Kostenübernahme stimmen. Darüber wollte Bahnvorstand Volker Kefer allerdings noch nicht spekulieren.

Zugang zu einem Datenraum

Und selbst wenn die Bahn die 1,1 Milliarden trägt, bleiben die weiteren Risiken in Höhe von 1,2 Milliarden. Die sollen sich nach Bahn-Vorstellung die Projektpartner teilen. Die wiederum wollen keinen Cent mehr zahlen. Es könnte deshalb in diesem Jahr zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommen, die das Vertrauen erneut stark belasten würde.

Doch zunächst einmal sollen in den kommenden Wochen die Kommunikation und Information verbessert werden. So sollen etwa einzelne Vertreter Zugang zu einem Datenraum erhalten, um sensible Unterlagen der Bahn einsehen zu können. Außerdem soll die nächste Sitzung der Projektpartner durch Arbeitskreise besser vorbereitet werden. Bis Ende Januar sollen den Projektpartnern aussagekräftige Unterlagen vorliegen. Auch sollen die Partner unabhängig von den Bahn-Aufsichtsratssitzungen informiert werden.

Ausgespart wurden am Montag weitere kritische Punkte, wie etwa die Meldung, dass auch die mit S21 zusammen geplante Neubaustrecke nach Ulm teurer werden soll. Die Stuttgarter Zeitung berichtete am Montag über Mehrkosten in Höhe von 369 Millionen Euro. Die Deutsche Bahn wies den Bericht in einer schriftlichen Stellungnahme als falsche Behauptung zurück. Am Dienstag will sich Kefer inoffiziell mit Vertretern der Gemeinderatsfraktionen sowie den Landtagsfraktionen treffen, um auch dort für neues Vertrauen zu werben.

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6 Kommentare

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  • HS
    Hari Seldon

    @von Strecker

     

    Bitte, meinen Sie den Herrn von Loeper, der als Anwalt NOCH KEINE EINZIGE KLAGE gegen S21 gewinnen konnte? Bitte, was für eine Garantie könnten Sie geben, dass die neuesten Aussagen von Herrn Lopere nicht genauso Blödsinn sind, wie seine frühere Aussagen? Der Herr von Loeper sucht nach der Tierschützertätigkeit jetzt einen neuen "Wirkungskreis", und hausiert für Spenden für eine Klage in KA. Nun, die Klagen in KA sind kostenlos, und es ist leicht nachvollziehbar, dass der Herr von Loeper wieder Opfer sucht für die nächste Runde des Abmelkens.

     

    Nun, Sie sollten die übliche "Cui bono?" Frage bezüglich der Anti-S21 Krawallen stellen. Es ist witzig zu sehen, dass die linke Seite des politischen Spektrums so vehement an den Leim der steinreichen, alteingesessenen Immo-Besitzer ging. Die Untertunnelung wird gerade unter der teuersten Wohnlage (Halbhöhenlage oder HHL) ca. 30-40 m in der Tiefe führen, und diese "Attentat" ist nicht akzeptabel für die Reichsten in Stuttgart. Dazu kommt, dass mit dem Bau von neuen Wohnungen unerwünschte Wettbewerb auf dem Wohnungsmarkt in Stuttgart auftreten würde. Nun, Revolutionäre, alle in die erste Linie des Kampfes um die Privilegien und Besitzstand der Immo-Besitzer in Stuttgart zu verteidigen. Und dafür dürft ihr noch viele Kohle (Spenden) bezahlen. Tja, die menschliche Dummheit ist grenzenlos.

  • R
    reblek

    "... zu einem inoffiziellen Gespräch in der Landeshauptstadt getroffen, um vor allem zerstörtes Vertrauen wieder neu zu gewinnen." - Eine lustige Vorstellung, dass Leute "zerstörtes Vertrauen gewinnen" wollen.

  • S
    Strecker

    Man kann Herrn von Loeper nur zustimmen:

    "Das Angebot mit geheimen Datenräumen nach 18-jähriger Planungszeit und nach all den Manipulationen bei Schlichtung und Stresstest, der sensibilisierten Öffentlichkeit mit einer Fortsetzung dieser Camouflage zu kommen, könne nur noch als dreist bezeichnet werden". Insbesondere ist es deshalb dreist, weil inzwischen schon durch bestimmt Kanäle durchgedrungen ist, dass auch die jetzt eingeräumten Mehrkosten nicht ausreichen werden, um das Schieneninfrastrukturrückbauprojekt S21 abzuschließen. Bei ca. 11 Mrd € liegen nun schon die Berechnungen von Unternehmensberatungen, die von der DB AG beauftragt wurden. Diese Zahlen werden aber mit Sicherheit nirgendwo im geheimen Datenräumen zu finden sein.

  • B
    bahnfahrer

    das projekt ist tot! alle wissen es, auch der ewig grinsende kefer. auch die aktuellen zahlen glaubt euch keiner mehr. setzt ein ende, bevor es im fiasko endet!

  • UF
    Ulrich Frank

    Es fehlt hier der Hinweis, daß laut Informationen des Vorsitzenden des Verkehrsauschusses Hofreiter die Bahn AG intern bereits mit ca. 11 Milliarden EUR Kosten für S21 (Bahnknoten alleine) rechnet:

     

    http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.stuttgart-21-gruene-bahn-rechnet-mit-elf-milliarden.a745ded5-70f0-4550-80e3-63a695c91fbd.html

  • K
    KlausK

    Bei mir verstärkt sich seit Wochen das Gefühl, dass der Herr Kefer deswegen nicht konkreter wird, weil er nichts Konkreteres weiß.

     

    Bald wird einer erkennen, dass der Kefer ohne Kleider dasteht...