Neue Folgen der Biene Maja: Barbie Maja
Ab Karfreitag fliegt die Biene Maja mit neuer Titelmusik und in 3D über die Klatschmohnwiese. Und siehe da: Dünn ist sie. Zu dünn?
Mit schönen Kindheitserinnerungen ist nicht zu spaßen. Man gibt sie ungern wieder her. Die Biene Maja, zum Beispiel. Sie war lustig, und frech und überhaupt eine großartige Sonntagslangeweilevertreiberin. Und sie war, na ja, fett.
Was einem eigentlich immer gar nicht so richtig aufgefallen war. Aber nun hat es das ZDF gewagt, in den heiligen Hallen des kollektiven Fernsehgedächtnisses ein bisschen mit dem Staubwedel durchzugehen. Und damit einen richtigen kleinen Aufschrei provoziert: Die Biene Maja wird 3-D. Und: dünn!
Oder besser gesagt: dünner. Ab Karfreitag fliegt die Maja in 78 neuen, knapp zwölfminütigen Folgen wieder über die öffentlich-rechtliche Klatschmohnwiese – und das Bäuchlein der nun computeranimierten Maja ist noch immer zart gerundet, zur Wespentaille reicht es naturgemäß nicht ganz.
Doch es reichte allemal, damit sich die Münchener Süddeutsche Zeitung über „Bulimie an den Honigtöpfen, moderner Schlankheitswahn im Öffentlich-Rechtlichen“ entsetzte. „Germany’s next Top Model“ (Spiegel Online) und „Die fetten Jahre sind vorbei“ (aus Österreich: Der Standard) echote es aus der Medienlandschaft zurück. Im Netz schwappten erschrockene „Huchs!“ nebst Vorher-hinterher-Beweisbildern der Maja von Blog zu Blog.
Die Aufregung lange vor dem Start der neuen Folgen am Freitag schien selbst Barbara Biermann, Leiterin der ZDF-Hauptredaktion Kinder und Jugend, beeindruckt zu haben. Man habe der Biene Maja durch die 3-D-Animation und den „veränderten Look“ eine „neue Wertigkeit“ hinzufügen wollen, sagte sie in die Stille nach der Pressevorführung hinein.
Der große Kopf, die runden Kulleraugen, die nun auch eine Farbe, nämlich Blau, bekommen haben: „Niedlicher und moderner“ habe man die neue Maja visualisieren wollen, erklärt Produzent Patrick Elmendorff. Und Biermann sagte, fast entschuldigend: „Vielleicht war es irgendwann einfach mal an der Zeit, das nie Gedachte zu denken, das Ungeahnte zu wagen.“
Ganz früher: Erfunden hat die Biene Maja der Schriftsteller Waldemar Bonsels. Schon als Kind soll er sich für die Natur rund um seine Geburtsstadt Ahrensburg in Schleswig-Holstein interessiert haben, 1912 erschien „Die Biene Maja und ihre Abenteuer“.
Vorgestern: Als Trickfilm hatte die Biene Maja 1976 Premiere. Das ZDF produzierte bis 1980 gemeinsam mit dem österreichischen ORF zwei Staffeln mit jeweils 52 Episoden, die zuletzt bis 2012 im Kinderkanal Ki.Ka wiederholt wurden. Die Biene Maja wurde in 147 Länder exportiert und in 30 Sprachen übersetzt.
Ganz neu: In 3-D-Optik sind nun 78 neue Geschichten entstanden, eine Koproduktion des ZDF mit dem französischen TV-Sender TV1. Das zuvor von Karel Gott gesungene Titellied singt nun Helene Fischer. Am Karfreitag gibt es ab 8.35 Uhr ein 35-minütiges „Auftakt-Special“ im Rahmen von „50 Jahre ZDF“. Danach immer sonntags, 7.05 Uhr im ZDF und um 18.15 Uhr als Doppelfolge im Ki.Ka.
Schlank ist schön
Das nie Gedachte: Es gibt so ein paar heilige Kühe im deutschen Kinderfernsehen, die Biene Maja gehört dazu, wer an sie rührt, braucht Mut. Und wo es gefühlig wird, helfen auch durchaus vernünftige Argumente – man könne über 30 Jahre altes Filmmaterial eben nur bedingt immer wieder restaurieren, sagt Biermann – nicht unbedingt weiter.
Deshalb könnte man nun bei der Dünn-Debatte auch einfach ein bisschen mitschimpfen, schließlich staksten in der jüngeren Vergangenheit ja schon genug untergewichtige potenzielle Identifikationsfiguren („Top Model“, „Model-WG“, „Das perfekte Model“) durchs Privatfernsehen. Und jetzt kommt das öffentlich-rechtliche Kinderfernsehen (Bildungsauftrag! Unsere Steuergelder!) und suggeriert schon den Kleinsten im Vorschulalter: schlank ist schön?
Bei der ganzen Aufregung vergisst man – die Kinder. Spielt für sie Majas Hüftumfang, ob bewusst oder unbewusst, für die Identifikation mit der Figur überhaupt eine Rolle? Bei menschlichen Zeichentrickmädchen mag das noch mal anders sein, aber bei einer (zugegeben sprechenden, vermenschlichten) Biene?
Eine pädagogische Intention verfolge man mit der schlankeren Biene jedenfalls nicht, sagt Biermann. Und: „Dünn ist auch immer relativ und entsteht hier wohl vor allem im Vergleich mit der ersten Maja.“ Den Vergleich zu früher haben wiederum nur die Erwachsenen – die es übrigens offenbar bisher durchaus okay fanden, dass die 2-D-Maja im Laufe der beiden alten Staffeln merklich schlanker wurde.
Die Dünn-Diskussion ist ohnehin nur Platzhalter für eine andere Debatte. Denn das Entsetzen der erwachsenen Maja-Fans über die schlanker gewordene Computer-Biene ist nichts anderes als der konservative Reflex, erst mal alles verdächtig zu finden, was lange Geliebtes neu macht. Rührt nicht an die Helden unserer Kindheit! Blickt man mal über das Kinderfernsehen hinaus, gab es da jüngst die aufgeregt geführte Debatte um mittlerweile rassistische oder schlicht veraltete Begriffe in Kinderbuchklassikern: „Neger“ in „Pippi Langstrumpf“ und „Jim Knopf“, „wichsen“ anstelle von „schlagen“ in Otfried Preußlers „Die kleine Hexe“. Darf man, und wie viel darf man, von etwas wegnehmen, um es richtiger zu machen?
Die Klatschmohnwiese
Der Spagat zwischen Bewahren und Erneuern: „Der Wiedererkennungswert der Geschichten, der Figuren, den wollten wir unbedingt erhalten. Wir haben versucht, den Geist der alten Biene Maja auf heute zu übertragen“, erklärt Produzent Elmendorff. Will heißen: Neben der 3-D-Optik wird jetzt vor allem schneller, Elmendorff sagt: „dynamischer“, erzählt.
Die neuen Folgen sind nur etwa halb so lang wie die alten, die noch über knapp 30 Minuten gingen. Man habe herausgefunden, dass die Aufmerksamkeitsspanne von Vorschulkindern kürzer sei als früher angenommen, sagt Elmendorff.
Geblieben ist die Klatschmohnwiesenwelt, genauso wie die Charaktere in ihrem Wesen die gleichen geblieben sind: Die neugierige Maja (gesprochen von Zalina Sanchez), die lieber nach ihren eigenen Regeln auf der Wiese als im Bienenstock leben will, die schlafmützige Drohne Willi (Gerd Meyer), der oberlehrerhafte Grashüpfer Flip (Hans-Jürgen Dittberner), die drollig-böse Spinne Thekla (Beate Gerlach).
Und auch die neuen Geschichten handeln von Freundschaft und Courage, vom Sich-was-Zutrauen und Für-andere-da-Sein. In der vorab gezeigten Episode „Der Mistkugelwettbewerb“ will Mistkäfer Ben – einer von etwa einer Handvoll neu dazugekommener Figuren – mit einer besonders schön gerollten Kugel besagten Wettbewerb gewinnen. Die wirklich sehr schwangere Fliege Lilly (Wehen bei einer Schmeißfliege, auch für den erwachsenen Zuschauer durchaus unterhaltsam) braucht „Balli“ aber dringender, für ihre Eier. Am Ende siegt natürlich Selbstlosigkeit, und Ben gewinnt, nur anders.
Gut erzählte Geschichten, stimmige Charaktere: darauf komme es am Ende an, sagt Biermann. „3-D an sich ist kein Selbstzweck.“ Aber es macht, wenn man mal aufhört, der neuen Maja verkniffen auf die Taille zu schielen, schlichtweg ziemlich viel Spaß. Konnte man bei den alten Folgen bisher „nur“ zugucken, fliegt man jetzt hinterher, mitten durch den Gräserdschungel. Und wollte man genau das nicht immer schon mal machen, als man so ungefähr fünf Jahre alt war?
Ein Kind ausgerechnet konnte übrigens gar nicht verstehen, was die Erwachsenen sich alle so aufregen über die verschlankte Biene. Die zwölfjährige Zalina Sanchez schaute auf der Pressevorführung sichtlich verwirrt, als sie gefragt wurde, wie sie es fände, dass die Biene jetzt dünn sei. Sie runzelte die Stirn und sagte, das wäre ihr, ehrlich gesagt, noch gar nicht so richtig aufgefallen. Aber ob das denn wichtig sei? Ja. Für die Erwachsenen.
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