■ Neue Erkenntnisse bringt die Stasi-Auslandskartei nicht: Tausch unter Sammlern
In den deutschen Wendewirren gelang dem amerikanischen Geheimdienst CIA ein Husarenstück: Während im Ministerium für Staatssicherheit die Reißwölfe heißliefen, um möglichst viele Akten zu vernichten, hatten sich die Agenten des Klassenfeindes längst die Filetstücke gesichert. Tausende von Dokumenten, darunter auch die Personenkartei der Stasi sowie eine operative Kartei der für die Auslandsspionage zuständigen „Hauptverwaltung Aufklärung“ (HVA), brachten sie über den großen Teich. Wie, ist bis heute nicht ganz geklärt, viel Geld soll im Spiel gewesen sein.
Sogar vor den Freunden vom Verfassungsschutz wurde der Coup verheimlicht. Natürlich war die Begehrlichkeit in Köln groß. Könnte man doch auch damit spielen, was ließe sich damit alles anstellen. Geheimdienstkoordinator Bernd Schmidbauer schwadronierte schon über bis zu 2.000 Spione, deren Enttarnung unmittelbar bevorstünde. Doch die Freunde aus Amerika spielten ihr Agentenspiel lieber allein: Nur handschriftliche Notizen aus ausgewählten Unterlagen durften sich die deutschen Schlapphüte nach langem Betteln machen.
Vergessen wurde die Beute der vom CIA „Operation Rosewood“ getauften Aktion trotz der Demütigung nie. Kurz vor Weihnachten vergangenen Jahres schien sich das Glück zu wenden. Aus sportlichem Ehrgeiz hatte sich ein Computertechniker der Gauck-Behörde daran gemacht, eine Datei zu knacken, die bisher allen Entschlüsselungsversuchen widerstanden hatte. Und da war es plötzlich: das „System, Information, Recherche der Aufklärung“ (Sira) auf vier Magnetbändern. Das Gegenstück zu Rosewood. Gemeinsam ergeben beide ein komplettes Bild der DDR-Auslandsspionage. Doch die Amis blieben weiter stur. Erst jetzt gibt es „eine annehmbare Einigung“ über den Zugang zu den ausgeschlachteten und für die CIA somit wertlosen Unterlagen. Tausche Rosewood gegen Sira. Was die CIA noch erhält, ist nicht bekannt.
Gemeinhin jedoch sind seltene Einzelstücke nicht billig. Was die Geheimen am Rhein heute noch damit wollen, ist unklar. Große Überraschungen werden nicht erwartet. Interessant bleibt das Puzzle damit bestenfalls für die Geschichtsschreibung. Aber so ist das mit passionierten Sammlern. Um ihre Kollektionen zu vervollständigen oder abschließen zu können, ist ihnen keine Mühe zu groß und kaum ein Preis zu hoch. Erst recht, wenn der Staatshaushalt den Spieltrieb finanziert. Otto Diederichs
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