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Neue Einreise-Richtlinien in SomaliaDigitalisierung mit Tücken

Digitalisierung in Somalia sorgt für Chaos an einer wichtigen Handelsroute am Horn von Afrika – und politische Konflikte mit den abtrünnigen Regionen.

Der Hafen Berbera an der Küste von Somaliland ist ein gewaltiger Umschlagplatz für das ganze Horn von Afrika Foto: Brian Inganga/picture alliande
Simone Schlindwein

Aus Kampala

Simone Schlindwein

Ob mit dem Flugzeug oder mit dem Schiff – nach Somalia zu reisen oder dort Waren am Hafen abzuladen, wird immer komplizierter. Denn Somalias Zentralregierung in der Hauptstadt Mogadischu hat neue Einreise-Richtlinien erlassen – Prozeduren, die in anderen Ländern bereits lange Standard sind.

Das von Bürgerkrieg gebeutelte Land hinkt in der Digitalisierung seiner Behörden hinterher. Zum einen, weil es keine zuverlässige Stromversorgung gibt, zum anderen, weil die Zuständigkeit der Zentralregierung in einigen Landesteilen infrage gestellt wird.

Genau dies sorgt nun für Probleme. Seit September sind alle Passagiere, die nach Somalia fliegen, verpflichtet, online bei der Immigrationsbehörde in Mogadischu ein E-Visum zu beantragen und zu bezahlen. Bislang wurden die Visaanträge in Papierform abgewickelt und die Gebühr an der jeweiligen Grenze in bar beglichen.

Doch die Verwaltung der abtrünnigen Region Somaliland in deren Hauptstadt Hargeisa erkennt dies nicht an. „Visa und andere Reiseerlaubnis, die von Somalia ausgestellt werden, gelten nicht für die Einreise in die Republik Somaliland“, so die Erklärung. „Wir werden alle Personen, die diese an unseren Grenzen vorzeigen, die Einreise verweigern.“

30 Jahre alter Konflikt eskaliert neu

Die Verwaltung in Hargeisa bezeichnet ihr Gebiet als „Republik“, dabei ist die Unabhängigkeit des Gebiets, die 1991 ausgerufen wurde, international nicht anerkannt – ebenso wenig wie die selbsternannte Unabhängigkeit der benachbarten Region Puntland.

Der Konflikt ist schon über 30 Jahre alt. Doch derzeit eskaliert er. Hintergrund ist, dass US-Präsident Donald Trump über eine mögliche Anerkennung Somalilands nachdenkt. „Wir werden das in Betracht ziehen“, hat Trump im August erklärt.

Dies brachte die Regierung in Mogadischu auf die Palme. Somalias Luftfahrtbehörde hat die beiden Fluggesellschaften, FlyDubai oder Ethiopian Airlines, die Hargeisa anfliegen, gewarnt, dass sie keine Passagiere an Bord lassen sollen, die kein E-Visum für Somalia besitzen. Sonst drohe ihnen der Entzug der Landeerlaubnis oder gar der Überflugrechte. Die Antwort aus Hargeisa kam prompt: Umgekehrt droht die dortige Luftfahrtbehörde nun allen Maschinen, die Mogadischu anfliegen, mit der Sperrung ihres Luftraums.

Ähnlich kompliziert ist es für Handelsschiffe. Denn die Regierung in Mogadischu hat bereits im Jahr 2023 ein sogenanntes ECTN-System eingeführt (Electronic Cargo Tracking Number). Laut diesem müssen alle Schiffe vorher online ihre Waren deklarieren. Dies gilt explizit auch für den Hafen in Berbera. Bislang wurde dieses nicht implementiert. Erst jetzt besteht die Zentralregierung auf das elektronische System. Bei Missachtung werde eine Strafgebühr fällig, heißt es in der Verordnung.

Dies zwingt die autonomen Republiken jetzt zur Zusammenarbeit mit der Zentralregierung. Sie machen deswegen Verluste, weil sie Einfuhrzölle nicht mehr für ihre eigene Kasse nutzen können. Umgekehrt hilft es der Zentralregierung in Mogadischu, die leeren Staatskassen aufzufüllen.

Hilfsgüter für das UN-Welternährungsprogramm WFP werden im Hafen Berbera angeliefert, genauso wie Waren, die nach Äthiopien und Sudan gehen

Gewaltiger Umschlagplatz

Der Hafen Berbera an der Küste von Somaliland ist ein gewaltiger Umschlagplatz für das ganze Horn von Afrika. Hilfsgüter für das UN-Welternährungsprogramm WFP werden dort angeliefert, genauso wie Waren, die nach Äthiopien und gar in den Sudan gehen. Äthiopien hat aufgrund seines historischen Konflikts mit Eritrea, das sich 1993 unabhängig erklärt hat, keinen eigenen Meereszugang.

Mit Hilfe der britischen Entwicklungsgesellschaft Foreign, Commonwealth & Development Office (FCDO) in Partnerschaft mit der Hafengesellschaft DP World mit Sitz in Dubai wird der Hafen derzeit ausgebaut. Dies soll langfristig Importwaren in der Region preiswerter machen und den Export von afrikanischen Produkten auf den Weltmarkt erleichtern.

Auch für den Welthandel ist Berbera entscheidend. Denn der Konflikt in Jemen auf der Arabischen Halbinsel hat denn Schiffsverkehr durch den Golf von Aden zu einem risikoreichen Unternehmen gemacht. Rund 12 Prozent des globalen Warenverkehrs gehen durch dieses Nadelöhr, davon ein Großteil des Handels zwischen Europa und Asien.

Bislang galt der Hafen in Dschibuti als Hub für Waren gen Ostafrika. Doch aufgrund langer Wartezeiten zum Anlanden herrscht vor der Küste meist Stau. Schiffe, die im Golf von Aden warten müssen, bis in Dschibuti ein Dock frei wird, oder aufgrund des regen Verkehrs nicht passieren können, geraten ins Fadenkreuz der jemenitischen Houti-Rebellen. Im September trieb ein niederländisches Frachtschiff manövrierunfähig im Golf, nachdem ein Geschoss den Frachter getroffen hatte. Dies verlangsamte den Warenverkehr zwischen Europa und China.

Berbera galt zuletzt als sichere Alternative, da der Hafen weiter weg von der jemenitischen Küste liegt, außerhalb der Raketenreichweite quasi. Wenn jetzt der Konflikt um die elektronische Anmeldung und Gebühren zwischen Somalia in Somaliland eskaliert, müssen wieder mehr Frachter auf Dschibuti umdisponieren.

„Elektronische Verfahren werden als Waffe eingesetzt, um Somaliland zu ersticken“, kommentiert Ismael Ahmed, Gründer der internationalen Geldüberweisungs-Plattform WorldRemit, einer der weltweit bekanntesten Geschäftsleute aus Somaliland. „Wenn internationale Schifffahrtsbetreiber und Versicherungsunternehmen diese Regeln einmal akzeptiert haben, dann sind sie nicht mehr rückgängig zu machen“, so Ahmed. „Das ist gefährlich.“

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