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Neue EU-KommissionEuropäischer Etikettenschwindel

Eric Bonse
Kommentar von Eric Bonse

Ursula von der Leyen hat zu viele Wünsche erfüllt. Einige ihrer KandidatInnen sind völlig ungeeignet für den vorgesehenen Posten.

Ursula von der Leyen stellt ihr „Dreamteam“ vor Foto: ap

A uf dem Papier sieht sie gut aus, die neue EU-Kommission um Ursula von der Leyen. Die erste Frau an der Spitze der mächtigen Brüsseler Behörde hat alle Wünsche erfüllt, die ihr die Staats- und Regierungschefs der EU bei der umstrittenen Nominierung im Juli aufgetragen haben.

Die Kommission ist weiblicher geworden, die versprochene Parität wurde nur knapp verfehlt. Sie ist politisch einigermaßen ausgewogen, auch wenn Grüne kaum und Linke gar nicht eingebunden wurden. Und die bisher vernachlässigten Süd- und Osteuropäer haben wichtige Posten bekommen.

Margrethe Vestager, Vera Jouriva und Sylvie Goulard werden die neuen „starken Frauen“ in Brüssel sein – neben von der Leyen natürlich, die alle Strippen zieht. Mit dem Letten Valdis Dombrovskis wird der Osten aufgewertet, mit dem Italiener Paolo Gentiloni der Süden.

Und dass der Ire Phil Hogan künftig für den Handel zuständig sein wird, ist ein starkes Signal an die Briten. Nach dem Brexit – wenn er denn kommt – wollen sie ein Freihandelsabkommen mit der EU aushandeln. Irland sitzt dabei nun in der ersten Reihe.

Doch das „Dreamteam“ hat ein Problem: Die Ressorts wurden einzelnen Kommissaren auf den Leib geschnitten – aber nicht so, dass es der Sache dient, sondern der Person beziehungsweise dem dahinter stehenden EU-Land. Zudem hat sich von der Leyen wohlklingende Titel ausgedacht, die sich bei näherer Betrachtung als Etikettenschwindel erweisen.

„Europäischer Lebensstil“

Besonders krass ist das Beispiel Margaritis Schinas. Der Grieche, der bisher Chefsprecher von Kommissionschef Jean-Claude Juncker war, soll sich darum kümmern, „unseren europäischen Lebensstil (zu) schützen“. Dahinter verbirgt sich aber nicht etwa die Kultur oder die Ernährung, sondern die Abwehr von „irregulären“ Migranten.

Kein Wunder, dass diese Nominierung auf Widerstand stößt. Das Etikett sei „beängstigend“, schrieb die grüne Ko-Fraktionsvorsitzende Ska Keller. Sie hoffe, dass von der Leyen „keinen Widerspruch zwischen der Unterstützung für Flüchtlinge und europäischen Werten sieht“. Auch andere Abgeordnete wollen das nicht durchgehen lassen.

Ebenfalls mit Gegenwind rechnen muss die neue Kommissarin für „Werte und Transparenz“, die Tschechin Věra Jourová. Sie ist Mitbegründerin der populistischen Partei ANO von Ministerpräsident Andrej Babiš, gegen den wegen Betrugsverdachts ermittelt wurde. Dass ausgerechnet Jourová für Rechtsstaat und Demokratie zuständig sein soll, ist nicht nur für viele Tschechen ein Hohn.

Selbst noch an der „Wirtschaft für die Menschen“ muss man zweifeln. Hinter der wohlklingenden Jobbeschreibung für Dombrovskis verbergen sich nämlich so kritische Themen wie Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion. Es geht mehr um marktkonforme Demokratie als um den Schutz der Arbeitnehmer.

Auch die Kommissionspräsidentin sorgt für kognitive Dissonanz. Sie verspricht mehr Klimaschutz und Soziales, ihre Bewerbungsrede im Europaparlament klang phasenweise wie ein rot-grünes Regierungsprogramm. In der Praxis will sie aber für jedes neue EU-Gesetz ein altes abschaffen – was in der Vergangenheit meist Sozialabbau bedeutete.

Außerdem hat sie Verteidigung, Rüstung und „Geopolitik“ zu neuen Schwerpunkten der Europapolitik erklärt. Die ehemalige deutsche Verteidigungsministerin will sogar eine neue Generaldirektion „Verteidigungsindustrie und Rüstung“ schaffen und die europäischen Waffenschmieden aus EU-Mitteln subventionieren.

Bei ihrer Bewerbung hat sie davon nichts gesagt. Auch jetzt bekennt sie nicht wirklich Farbe. Das Motto ihrer Kommission heißt „Eine Union, die mehr erreichen will“. Fragt sich nur, was.

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Eric Bonse
EU-Korrespondent
Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog
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6 Kommentare

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  • Ungemütlich kann es für keinen der neuen Kommissare werden! Alle werden im Paket durch das EU-Parlament gewinkt oder auch nicht. Das ist doch pure Absicht. Über einzelne Kommissare wird gar nicht abgestimmt. Das sollte jeder wissen. Auch Lagarde hat Sonderrechte.



    Auf Antrag der Staatsanwaltschaft ließ der Gerichtshof der Republik 2011 ein Ermittlungsverfahren wegen Amtsmissbrauchs gegen Lagarde zu. Im Mai 2013 wurde sie zwei Tage von einem Gericht vernommen.[18][19] 2014 wurde ein Anklageverfahren gegen sie eingeleitet, 2016 wies das Kassationsgericht ihren Einspruch ab. Sie musste sich danach vor dem Gerichtshof der Republik verantworten. Im Dezember 2016 wurde Lagarde durch das Gericht des fahrlässigen Umgangs mit öffentlichen Geldern schuldig gesprochen. Verteidigung und Staatsanwaltschaft hatten sich zuvor für einen Freispruch ausgesprochen. Eine Strafe verhängte das Gericht allerdings nicht.

  • Gedacht sind solche Orwell`schen Sprachneuschöpfungen -"Wirtschaft für die Menschen" - gewiß für vermutete Analphabeten; - von solchen will man schließlich gewählt werden.



    Allerdings ist das Volk bekanntlich doof, aber auch gerissen: " Entsorgungspark" ? - Wird wohl eine Mülldeponie sein.



    " Wirtschaft für die Menschen" ? - Man schießt den Konzernen den Weg frei.



    Usw.

  • Der Artikel könnte tatsächlich auf die Einleitung reduziert werden.



    "Einige ihrer KandidatInnen sind", inklusive der neuen Kommissionsvorsitzenden, "völlig ungeeignet für den vorgesehenen Posten."

  • "In der Praxis will sie aber für jedes neue EU-Gesetz ein altes abschaffen"

    Solche Regeln sind einfach nur absoluter Schwachsinn. Ein Gesetz sollte nur erhalten bzw gestrichen werden, wenn es gut respektive schlecht ist. Nichts und gar nichts anderes sollte und darf zählen, schon gar nicht so ein dämlicher, arbiträrer Ene-Mene-Muh Müll.

  • Ach was!

    “Europäischer Etikettenschwindel



    Ursula von der Leyen hat zu viele Wünsche erfüllt. Einige ihrer KandidatInnen sind völlig ungeeignet für den vorgesehenen Posten.“

    kurz - Gleich&Gleich - Gesellt sich gern.



    La Tuffa von der Lie-ing hat doch auch noch nie nen müden Hering vom Teller gezogen



    Außer Spesen - Nix gewesen. Nach ihr - die Sündflut. Wasted Land.



    Nothing else. 👿

  • Parität und Eignung für das bekleidete Amt sind nicht deckungsgleich.



    Eignung ist eben immer eine individuelle Eigenschaft, unabhängig von körperlichen oder sozialen Merkmalen.



    Das durch die Parität versucht werden soll dem Geklüngel ein tolles Mäntelchen umzuhängen ist der eigentliche Aufreger.