Neue EU-Gesundheitsbehörde Hera: Eine wackelige Konstruktion
Eine neue EU-Behörde soll Gesundheitspolitik direkt bei der EU-Kommission ansiedeln. Dabei sind dafür die Mitgliedsländer zuständig.
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Als Vorbild gilt die US-amerikanische Barda, die auf Bioterrorismus und andere medizinische Bedrohungen spezialisiert ist. Hera werde über ähnliche Finanzmittel verfügen und eng mit der Industrie zusammenarbeiten, erklärte EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton. Künftig werde man keine Krisenstäbe mehr einrichten und bei der Industrie um Hilfe betteln müssen, wenn eine Pandemie droht. Breton hatte 2020 den Krisenstab geleitet.
Allerdings stehen Struktur und Finanzierung auf wackligen Füßen. Die neue Behörde mit dem göttlichen Namen soll in der EU-Kommission angesiedelt und keine eigenständige Agentur werden. Damit verschafft sich die Kommission unter Leitung der studierten Medizinerin Ursula von der Leyen neue Kompetenzen, die ihr laut EU-Vertrag überhaupt nicht zustehen – Gesundheitspolitik ist Ländersache. Zudem wäre das Europaparlament außen vor.
Nach Angaben von Kommissionsvize Margaritis Schinas soll Hera bis 2027 über bis zu 50 Milliarden Euro verfügen. Sie wäre damit eine der bestfinanzierten EU-Behörden. Allerdings beträgt das Jahresbudget nur eine Milliarde Euro. Dazu sollen noch 24 Milliarden Euro aus „verwandten“ EU-Programmen abgezweigt werden. Außerdem rechnet Schinas noch großzügig nationale Gesundheitsprogramme mit, die er mit 20 Milliarden Euro veranschlagt.
Trotz dieser wackligen Konstruktion soll Hera das Recht erhalten, den Gesundheitsnotstand auszurufen und Geld aus dem EU-Budget anzuzapfen. Bis 2022 werde die Behörde „mindestens drei Gesundheitsgefahren mit potenziell weitreichenden Folgen ermitteln“, so die EU-Kommission. Dabei soll sie eng mit der Wirtschaft zusammenarbeiten und die industriellen Kapazitäten stärken. Von Unabhängigkeit und Transparenz ist keine Rede.
Gestützt wird der Vorstoß von den Konservativen im Europaparlament. Sie sehen Hera als Baustein für eine neue „Gesundheitsunion“. Kritik kommt dagegen von der SPD. Die EU-Kommission beteilige die Industrie stärker als die Bürger, moniert der Europaabgeordnete Tiemo Wölken.
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