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Neue EU-Definition von Wasserstoff„Grün“ auch mit Atomstrom

EU-Kommission schlägt eine Einstufung von Wasserstoff als „grün“ vor, der mit Atomstrom produziert wurde. Das erinnert an den Streit um die Taxonomie.

Soll bei der Produktion von Wasserstoff für diesen Bus in Oldenburg auch Atomkraft eingesetzt werden? Foto: dpa

Brüssel afp | Die EU-Kommission will die Einstufung von Wasserstoff, der mit Atomstrom produziert wurde, als „grün“ ermöglichen. Die Brüsseler Behörde legte am Montag einen Vorschlag für eine entsprechende Definition von grünem Wasserstoff vor. Unter bestimmten Umständen könnte mit Atomkraft hergestellter Wasserstoff demnach als nachhaltig und entsprechend förderwürdig gelten. Das könnte für Streit zwischen Deutschland und Frankreich sorgen, die in der Atomfrage gespalten sind.

Nach Vorstellung der Kommission soll Wasserstoff unter anderem als grün gelten, wenn er mit Hilfe von nur zu diesem Zweck produziertem Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt wurde. So soll vermieden werden, dass Strom aus Erneuerbaren für andere Zwecke fehlt.

Eine weitere Möglichkeit der Einstufung von Wasserstoff als grün ist, wenn das Elektrolysegerät für die Wasserstoffherstellung an ein örtliches Stromnetz angeschlossen ist, in das zu 90 Prozent Strom aus Erneuerbaren eingespeist wird. Kernenergie zählt allgemein nicht als erneuerbare Energiequelle, die Kommission sieht in ihrem Vorschlag jedoch vor, dass unter bestimmten Umständen lediglich der CO2-Ausstoß betrachtet werden kann.

Wenn die Emissionen bei der Stromerzeugung für das örtliche Stromnetz unter einem bestimmten Grenzwert von CO2-Emissionen bleiben, kann der darin produzierte Wasserstoff ebenfalls als grün gelten, wie die Behörde ausführte. Dies öffnet die Tür für die Kernkraft, denn diese ist weitgehend CO2-arm.

Rechtlicher Rahmen für Investoren

Mit den neuen Vorgaben will Brüssel einen rechtlichen Rahmen für Investoren im Energiebereich und für staatliche Beihilfen schaffen. Die Regeln sollen für Erzeuger innerhalb der EU sowie für in Drittländern ansässige Erzeuger gelten. Die EU will nach Kommissionsangaben bis 2030 zehn Millionen Tonnen grünen Wasserstoff selbst produzieren und weitere zehn Millionen Tonnen importieren.

Die Rolle der Atomkraft könnte nun erneut für Streit zwischen Deutschland und Frankreich sorgen. Die beiden Länder planen eine gemeinsame Wasserstoffleitung von Spanien über Frankreich bis nach Deutschland. Die Regierung in Paris setzt explizit auch auf sogenannten roten Wasserstoff, der mit Atomenergie hergestellt wird und betont, dass dieser emissionsarm sei. Die Regierung in Paris konnte sich dabei auch darauf berufen, dass Atomstrom im Rahmen der sogenannten Taxonomie bereits als nachhaltig etikettiert wird. Der Streit um dieses EU-Regelwerk für Investoren hatte in den vergangenen Jahren bereits für Streit in Europa gesorgt.

Atomkraft sei „keine erneuerbare Energie“, sagte hingegen ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums am Montag in Berlin zu den Plänen der EU-Kommission. Deutschland möchte in erster Linie „grünen Wasserstoff“ nutzen, der ausschließlich erneuerbaren Energien produziert wird. Auch Spanien vertritt diese Position, wie das spanische Umweltministerium am Montag erklärte.

Das EU-Parlament und die Mitgliedstaaten haben nun zwei Monate Zeit, den Vorschlag der Europäischen Kommission zur Definition von grünem Wasserstoff zu prüfen. Um ihn abzulehnen ist allerdings eine breite Mehrheit nötig. Auf Ebene der Mitgliedstaaten müssten sich mindestens 20 Länder, die 65 Prozent der EU-Bevölkerung umfassen, dagegen aussprechen.

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10 Kommentare

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  • Ich lache mich schief.



    Woher "grünen" Wasserstoff nehmen? Aus Atomstrom. Und dann wird der ach so "grüne" Wasserstoff im Winter für die "Wasserstoffturbinen" gebraucht, für den Strom für die Wärmepumpen.



    Es wird immer skurriler.



    Anmerkung: Das Szenario ist keineswegs aus der Welt. Elektolyseure mögen konstante Betriebsbedingungen, die mit Atomstrom gegeben wären.

    • 3G
      31841 (Profil gelöscht)
      @sollndas:

      Wenn es dafür ein "Geschäftsmodell" gibt, wird das - wenigsten in Teilen - so kommen. Klimaschutz ist erst relevant, wenn Gewinn damit gemacht werden. "Gewinne" (= Kapitalverzinsung) können nur mit Wachstum erzeugt werden.

  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    Keine Überraschung. Die Strippen dafür wurden schon lange gezogen. rechtzeitige Umstellung auf Erneuerbare ausgebremst, Strombedarf steigt sehr schnell und steil an wegen der nun erforderlichen nachholenden Umstellung auf stark vermehrte Verbrauchsbereiche (E-Mobilität, Wärmepumpen etc.), Sparen (Suffizienz) geflissentlich hintanstellen, Versorgungsdifferenz decken durch ... erzeugt mit Uran aus ...

  • Man muß sich halt auch noch entscheiden, ob die Welt durch CO2 untergeht oder nicht.



    Wenn es schnell gehen soll mit Erzeugung von Wasserstoff, führt an Atomstrom kaum der Weg vorbei, auch wenns wirklich weh tut.



    Es ist auch erstaunlich, wieviele Leute in Deutschland Frankreich vorschreiben möchten, was sie machen sollen, am deutschen Wesen etc.

  • Super, jetzt müssen wir nur noch alte Dieselmotoren als CO2 neutral bezeichnen, Braunkohle als umweltfreundliche Technik deklarieren, das Fliegen als klimaneutral kennzeichen und schon sind alle Probleme gelöst. Warum ist da vorher keiner draufgekommen?!

    • @Eva Kern:

      Im Unterschied zu den anderen Technologien hat Kernkraft halt eine super CO2 Bilanz. Wo ist das Problem?

    • 6G
      666709 (Profil gelöscht)
      @Eva Kern:

      Das Grün bezieht sich auf Emissionen und ist 100% konform mit den Definitionen der EU.

      Dass Energieträger mit geringen bis keinen Emissionen etwas anderes sind als erneuerbare Energien, wird mittlerweile glücklicherweise bereits in der Grundschule gelehrt (3. Klasse, glaube ich). Dass viele Erwachsene das nicht wissen, ist schade.

      • @666709 (Profil gelöscht):

        Hat schon mal jemand die Emissionen bei der Entsorgung des radioaktiven Abfalls auf den erzeugten Strom umgelegt? Der Bau von Castor-Behältern, der Aufwand bei Transport und Zwischenlagerung, die jahrelange Suche nach Endlagern und schließlich der Bau eines solchen Lagers ....

      • @666709 (Profil gelöscht):

        Schade ist eher, dass es auch heute noch Menschen gibt, die dem gewaltiger Irrtum erliegen, Strahlung würde keine Emission darstellen.



        Atomenergie ist der Garant für weder kontrollierbare noch versiegende und dauerhaft hochgefährliche Emission.

        • 3G
          31841 (Profil gelöscht)
          @Erwin Spack:

          Und für einen Überwachungsstaat, Atomstaat genannt. Denken daran nur ältere Bürger, die noch Robert Jungk gelesen und gehört haben?