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Neue Coronavirus-Variante in SüdafrikaBis zu dreißig Mutationen

In Südafrika verbreitet sich eine neue Virusvariante, die die Infektionszahlen hochschnellen lässt. Die Bundesregierung schränkt den Flugverkehr ein.

Behandlung mit Sauerstoff in Pretoria im Juli: Mit der neuen Variante verschärft sich die Lage wieder Foto: Jerome Delay/ap/dpa

Kapstadt taz | Bis Mitte der Woche sah es so gut aus: Obwohl noch immer nur 23,8 Prozent der Bevölkerung Südafrikas vollständig geimpft sind, blieben die Infektionsraten zu Beginn des südafrikanischen Sommers relativ niedrig – in der Regel unter 400 Neuinfektionen pro Tag bei 60 Millionen Einwohner*innen.

Am Mittwoch jedoch schossen sie plötzlich auf über 1.275 Neuinfektionen hoch. Seitdem steigen sie kontinuierlich, bereits am Donnerstag hatten sie sich beinahe verdoppelt. Am gleichen Tag gab der im August neu angetretene Gesundheitsminister Südafrikas, Dr. Joe Phaahla, bekannt: „Ursache ist eine neue Coronavirusvariante, die wir deswegen als ernsthaft besorgniserregend einstufen, weil sie mehr Mutationen als alle bisher bekannten Varianten aufweist und darum möglicherweise weniger durch die bisherigen Impfungen kontrolliert werden kann.“ Unter den seitdem „exponentielll“ gestiegenen neuen Fällen hätten 75 Prozent der Tests diese neue Variante nachgewiesen.

In mehreren Forschungseinrichtungen hätten Wis­sen­schaft­le­r*in­nen bei der Variante B.1.1.529 bereits bis zu 30 Mutationen festgestellt, so Professor Tulio de Oliveira aus Johannesburg. Zum Vergleich: Die bisher bekannten Varianten Delta und Beta wiesen zwei und drei Mutationen auf. Außerdem sei der Eindruck entstanden, dass sich diese Variante schneller und vor allem unter jüngeren Menschen verbreiten würde. Gut sei, dass auch diese neue Variante durch bisherige PCR-Tests erkannt werden könne.

Als Zentrum der ersten Infektionen im Land wurde die Provinz Gauteng mit den Großstädten Johannesburg und Pretoria benannt. Dort waren die ersten sechs Fälle in Südafrika festgestellt worden. Weitere drei Fälle im Nachbarland Botswana und einer in Hongkong wurden auf Reisende aus Südafrika zurückgeführt. Wie und wo diese neue Variante genau entstanden ist, ist bislang unklar.

Flugverkehr eingeschränkt

Auch in Israel wurde nach offiziellen Angaben eine Person identifiziert, die sich möglicherweise in Malawi mit der neuen Variante angesteckt hatte. Israel hatte am Donnerstag sofortige Reisebeschränkungen für mehrere afrikanische Länder verhängt.

Die Bundesregierung teilte am Freitag mit, den Flugverkehr nach Südafrika drastisch einzuschränken. Das Land gelte ab der Nacht zum Samstag als Virusvariantengebiet, hieß es aus dem Bundesgesundheitsministerium. „In der Folge dürfen Fluggesellschaften nur noch deutsche Staatsbürger nach Deutschland befördern.“ Zudem müssten alle Eingereisten für 14 Tage in Quarantäne – auch wenn sie vollständig geimpft sind. Die neue Einstufung wird möglicherweise auf Nachbarländer von Südafrika ausgeweitet. Auch Großbritannien schränkte den Reiseverkehr ein.

Erst im Juli hatte Südafrika alle Coronaregeln im Land gelockert und erstmals seit dem Beginn der Pandemie hatte die für die Wirtschaft so wichtige Tourismusbranche wieder gute Buchungszahlen gemeldet. Mit fast 90.000 Coronatoten gilt Südafrika als das am schwersten betroffene Land in Afrika.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO untersucht bereits, ob B.1.1.529 als besorgniserregend eingestuft werden muss. Das sagte WHO-Expertin Maria van Kerkhove in einem Briefing. Es werde dabei auch untersucht, inwieweit die Variante Folgen für die Diagnostik, Therapien und die Impfkampagnen habe. (mit dpa, afp)

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2 Kommentare

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  • 0G
    05989 (Profil gelöscht)

    Nachdem der erste Fall in Belgien festgestellt wurde, kann man sich die Einschränkungen durch den Flugverkehr eigentlich schon wieder sparen. B.1.1.529 ist längst in Europa, wahrscheinlich auch in Asien.

    Wir werden uns nach dem letzten Winter zurücksehnen, als Corona irgendwie beherrschbar wirkte... Deswegen:

    1. Lockdown - maximale Kontaktbeschränkung überall, wo das nicht unmittelbar notwendig ist wie etwa in der häuslichen Pflege. Mindestens 6 Wochen! Nicht Light, nicht "mal sehen", sondern maximal! Wollt Ihr den totalen Kr... uups - Lockdown? ;)

    2. Maskenpflicht in Innenräumen - und zwar allen Innenräumen und für Alle. Kinder ersticken auch nicht, wenn sie FFP2-Masken tragen! Im Gegenteil: Eigentlich sind die normalerweise echt happy, wenn sie beitragen können!

    3. Die generelle Impfpflicht kann uns kaum helfen, ich bin aber dafür die sektoralen Impfpflichten einzuführen: Gesundheitswesen, Bildung, körpernahe Dienstleistungen, Parteiverkehr, Handel, Polizei, Post & Co. Und dann sehen wir, wie das läuft und was man gegebenenfalls optimieren muss, bevor man an eine generelle Impfpflicht herangeht.

    4. Die Ärztekammern müssen radikal den Mitgliedern die Approbation entziehen, die Atteste fälschen oder Unsinn in die Welt posaunen. Und zwar nicht erst, wenn ein Strafverfahren eventuell am Ende ist, sondern sofort nach eigener Prüfung.

    Ich denke nicht, dass uns die Gs noch groß weiterbringen, deswegen würde ich an 2G festhalten, um die Impfbereitschaft zu optimieren, aber das Testen in der Breite bleiben lassen. Die Ressourcen sollte man dafür verwenden, gezielt etwa Unternehmen oder Rathäuser schlaglichtartig durchzutesten, um die Kontrolle über das Infektionsgeschehen zu behalten, aber die Freitesterei ist schon mit Delta fragwürdig und wird mit dem Südafrika-Virus erst recht nahezu sinnlos.

    Wenn wir das nicht akzeptieren, wird das sehr lange und sehr traurig so weitergehen...

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