Neue Coronamaßnahmen in Deutschland: Kauf dich glücklich
Diesmal treffen die Coronabeschränkungen die Kulturschaffenden am härtesten. Sie müssen jetzt umfänglich entschädigt werden.
D er Mensch ist ein geselliges Tier, liebt bisweilen den Exzess, auf jeden Fall das schöne Beisammensein, die Künste, das Spiel. Tja, und alle, die damit ihren Lebensunterhalt bestreiten, haben jetzt die Arschkarte: Die Bundesregierung hat ihr Tun für am entbehrlichsten erklärt. Kultur und Freizeit sollen dichtmachen, um die sogenannte zweite Welle der Pandemie zu brechen und den Rest des Landes am Laufen zu halten. Macht ja auch Sinn: Geschlossene Schulen und offene Kneipen? Wäre schwer vermittelbar.
Die Beschlüsse von Kanzlerin Merkel und der MinisterpräsidentInnen der Länder sind nachvollziehbar: Wo sich zwei oder drei versammeln, ist Corona zwar selten unter ihnen, bei zwei- bis dreihundert ist die Wahrscheinlichkeit aber sehr hoch, dass eine infizierte Person darunter ist. Besonders oft übertragen wird, wo man sich entspannt, die Maske fallen lässt oder dicht beisammen in geschlossenen Räumen ist. Dass Shoppingmalls offen bleiben sollen: ungerecht, doch da lässt sich eine Maskenpflicht eher kontrollieren als im diffusen Nachtleben.
Für die Kulturschaffenden ist das hart: Ihr Opfer soll die zweite Welle brechen; das ist zwar epidemiologisch vernünftig, hat aber einen bitteren Beigeschmack: Der Chef eines Opernhauses macht weniger Rabatz als der BDI, der Mittelstand oder der Einzelhandelsverband. Aber, daran sei erinnert: Beim ersten sogenannten Lockdown im März gab es nie eine Pflicht der Wirtschaft, die Fabriktore zu schließen. Das geschah, weil die Nachfrage einbrach und Zulieferer aus aller Welt fehlten.
Die Konsequenz für die Kulturschaffenden muss jetzt sein: Wenn schon die runterfahren müssen, die am wenigsten Widerstand leisten, dann helfe man ihnen auch bedingungslos. Ob nun durch einen befristeten staatlichen Unternehmerlohn in Höhe von 1.200 Euro für Soloselbstständige oder durch Ausweitung von Hilfen und Hilfskrediten auf Kleinstbetriebe. Ist alles im Gespräch. Gut so.
Und dann reicht es aber auch mit den Krokodilstränen über Fitnessstudios oder Kinos. Die Freizeitwirtschaft bringt bei Weitem nicht die einzigen Opfer. Es sind alle. Denn ja, es ist ein brutaler Eingriff in die Grundrechte, wenn eine Regierung schreibt: „Der Aufenthalt in der Öffentlichkeit ist ab sofort nur mit den Angehörigen des eigenen und eines weiteren Hausstandes gestattet.“ Aber die meisten Menschen in Deutschland begreifen zum Glück den simplen Umstand, dass Covid-19 ohne solche temporären Einschränkungen zu viele Opfer fordern würde.
Reichen die jetzigen Maßnahmen? Das wird wahrscheinlicher, je mehr sich daran halten. Ansonsten können wir uns bald wieder darüber ärgern, wie schlecht die Schulen für Homeschooling ausgestattet sind.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nachhaltige Elektronik
Ein blauer Engel für die faire Maus
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
James Bond
Schluss mit Empfindsamkeit und Selbstzweifeln!
Bodycams bei Polizei und Feuerwehr
Ungeliebte Spielzeuge