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Neue Corona-MaßnahmenFeuerlöscher von der Regierung

Gereon Asmuth
Kommentar von Gereon Asmuth

Die Ampel bereitet sich mit einem neuen Infektionsschutzgesetz auf einen möglichen Corona-Herbst vor. Der moderat vorsichtige Kurs ist richtig.

Als Corona noch neu war: März 2020 Foto: Karsten Thielker

I m Sommer 2020 herrschte eine gewisse Lässigkeit. Nach der ersten Coronawelle trauten sich die Menschen wieder auf die Straßen, die Zahl der Kontakte stieg stetig bis in den Herbst. Die Folge: die zweite Welle mit Zehntausenden Toten. Im Sommer 2021 gab der damalige CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn den Ton vor. Kurz vor der Bundestagswahl wollte er entspannte Stimmung statt harter Maßnahmen. Wieder stieg die Zahl der Kontakte stetig bis in den Herbst. Die Folge: noch eine Welle mit Zehntausenden Toten.

Im Sommer 2022 amtiert zum Glück eine Bundesregierung, die sich nicht nur traut, auf drohende neue Wellen im Herbst hinzuweisen. Sie hat am Mittwoch mit dem überarbeiteten Entwurf für ein neues Infektionsschutzgesetz auch die Maßnahmen vorgelegt, die ab Oktober gelten sollen. Sie stellt Feuerlöscher bereit, weil sie weiß, dass es brennen könnte, und beginnt nicht erst zu reden, wenn die Hütte in Flammen steht.

Ob sich die Maßnahmen – viele Masken, aber kein Lockdown, Vorteile für Geimpfte, aber kein Zwang zum Piks, viel Spielraum für die Länder, aber mit klaren Obergrenzen – am Ende als angemessen erweisen werden, wie es die Minister Marco Buschmann und Karl Lauterbach betonen? Niemand kann das zum jetzigen Zeitpunkt beantworten – und das ist ja das Problem an solchen Pandemien. Trotz aller Prognosemodelle bewegen wir uns im Blindflug. Erst recht, falls noch eine ansteckendere Coronavariante auftauchen sollte.

Aber im Rückblick zeigt sich: Eine große Mehrheit der Bevölkerung geht sehr vernünftig mit der Pandemie um, wenn sie ausreichend informiert ist. Von den besonders gefährdeten über 60-Jährigen sind aktuell 86 Prozent geimpft. Viel wichtiger: Jedes Mal, wenn sich die Regierung zu Maßnahmen durchgerungen hatte, reduzierte die Bevölkerung sofort ihre Kontakte – bevor die Einschränkungen überhaupt galten.

Daher lautet die wichtigste Nachricht an der Neufassung des Infektionsschutzgesetzes: Bleibt vorsichtig! Nicht übervorsichtig, aber es könnte wieder brennen.

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Gereon Asmuth
Ressortleiter taz-Regie
Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz. 2000 bis 2005 stellvertretender Leiter der Berlin-Redaktion. 2005 bis 2011 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Bluesky:@gereonas.bsky.social Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de ex-Twitter: @gereonas Foto: Anke Phoebe Peters
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2 Kommentare

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  • "Die Folge: die zweite Welle mit Zehntausenden Toten."

    Dieser Satz impliziert, dass die Toten hätten vermieden werden können, hätte die Regierung schneller konkrete Maßnahmen beschlossen.



    Vergleicht man nun die Verläufe mit anderen Ländern wie zb China - wo sehr schnell beschlossen, aber auch gestorben wurde - kann man nur zu dem Schluss kommen, dass diese Implikation quatsch ist..



    Es wäre auch mit schnelleren Maßnahmen zu Todesfällen gekommen. Ob es viel weniger gewesen wären, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen

  • "Jedes Mal, wenn sich die Regierung zu Maßnahmen durchgerungen hatte, reduzierte die Bevölkerung sofort ihre Kontakte"

    hm, das ist wie die Henne/Ei Frage. Ich hatte es so empfunden, dass die Regierung Maßnahmen beschlossen hat, zu einem Zeitpunkt, als die Bevölkerung schon selbst mehrheitlich beschlossen hatte zu handeln.



    Kann mich auch noch an Dirk Brockmann erinnern, der das mal genau so an seinen Grafiken erläutert hat...