Neue Clearingstelle in Bremen: Kleine Hoffnung für Papierlose
Bremen will vor der Wahl mit einem bundesweit einzigartigen Pilotprojekt schnell noch papierlosen Geflüchteten helfen. Zunächst nur ein Jahr lang.
![Angehörige der linken Szene demonstrieren in der Innenstadt für eine Öffnung der europäischen Grenzen. Vermummte Teilnehmer halten dabei ein Transparent mit der Aufschrift "Gegen die Festung Europa und ihre Fans! Borders kill - Orders kill!" - ein Foto aus dem Februar 2022 Angehörige der linken Szene demonstrieren in der Innenstadt für eine Öffnung der europäischen Grenzen. Vermummte Teilnehmer halten dabei ein Transparent mit der Aufschrift "Gegen die Festung Europa und ihre Fans! Borders kill - Orders kill!" - ein Foto aus dem Februar 2022](https://taz.de/picture/6179326/14/276379681-1.jpeg)
D as rot-grün-rot regierte Bremen startet ein Pilotprojekt, mit dem papierlosen Zugewanderten ein Weg aus der Illegalität eröffnet werden soll. Das hat der Senat beschlossen, rechtzeitig vor der Landtagswahl am 14. Mai. Ein paar Tage vorher, am 8. Mai, wird eine „Clearingstelle“ eröffnen, die Betroffenen ihre Unterstützung anbieten soll. Das Angebot gilt als bundesweit einzigartig und ist zunächst auf ein Jahr befristet. Es wird vom Roten Kreuz umgesetzt.
Die Vereinbarung sei für Menschen gedacht, die kein Vertrauen in staatliche Institutionen hätten, sagt die Landesregierung: Die Betroffenen, so das Versprechen, riskierten nicht, sich den Ausländerbehörden offenbaren zu müssen. Gleichwohl gibt es allerlei Bedingungen: Kommen darf, wer mindestens seit zwei Jahren ohne gültige Aufenthaltspapiere in Bremen lebt, keine staatlichen Leistungen bekommt und keine Duldung oder gar einen Aufenthaltstitel hat. Auch Geflüchtete mit einem laufenden asyl- oder aufenthaltsrechtlichen Verfahren sind ausgeschlossen.
Als papierlos gilt, wer sich ohne Aufenthaltserlaubnis oder Duldung hier aufhält. Betroffene können Grundrechte nicht wahrnehmen, leben oft in ständiger Angst. Zu dieser Gruppe gehören Geflüchtete aus „sicheren Herkunftsländern“ wie Sinti und Roma vom Balkan, für die eine Rückkehr dorthin keine Option ist, prekär beschäftige Arbeitsmigrant:innen – Sexarbeiter:innen etwa – oder abgelehnte Asylbewerber:innen und jene Migrant:innen, die vom Familiennachzug nach wie vor ausgeschlossen werden.
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„Die Betroffenen haben rechtlich keine Chance auf einen legalen Zugang zum Arbeitsmarkt“, sagt Bremens Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke). „Sie sind gezwungen, unter ausbeuterischen Bedingungen zu arbeiten.“ Laut den Behörden sind in Bremen schätzungsweise 4.000 Menschen papierlos. Die Zahl der Betroffenen sei „groß, aber sehr schwer zu schätzen“, sagt Holger Dieckmann vom Bremer Flüchtlingsrat – zumal die Gruppe „nicht homogen“, die Fluktuation „sehr groß“ sei.
Viele Betroffene werden „nicht erreicht“
Aus seiner Sicht ist das von der Linkspartei so genannte „Legalisierungsprogamm“ zwar „auf jeden Fall eine Verbesserung“. Viele Betroffene „werden damit aber trotzdem nicht erreicht“, so Dieckmann. Dazu gehören seiner Einschätzung nach insbesondere jene Geflüchtete, die schon einen Eintrag im bundesweiten Ausländerzentralregister haben. Sie könnten nicht von dieser Initiative profitieren – und würden im Zweifelsfall in andere Bundesländer umverteilt.
Eine echte Chance sei das Projekt also nur für jene, „die auch jetzt schon nach geltendem Recht eine Duldung bekommen könnten“, so Dieckmann. Das Problem sei vor allem §15a des Aufenthaltsgesetzes und dessen Umsetzung in Bremen zur „Verteilung unerlaubt eingereister Personen“.
Geholfen werden soll nur jenen, deren illegaler Aufenthalt auf Unwissenheit beruht: „Das ist keine Einladung an alle illegal Eingereisten, unter Umgehung von Recht und Gesetz in Bremen einen legalen Aufenthalt zu erwirken“, warnt Sozialstaatsrat Jan Fries (Grüne).
Und während die Linkspartei „ein bisschen stolz ist, dass wir gewissermaßen Geschichte schreiben“, sind die Erwartungen des auf Migrationsrecht spezialisierten Bremer Anwalts Sven Sommerfeldt gering: „Das wird nicht vielen Menschen helfen.“ Das Projekt sei „kein Legalisierungsprogramm“, sondern „ein Beratungsangebot“. Viel mehr könne Bremen als Bundesland aber nicht tun.
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