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Neue Cannabis-Grenzwerte im VerkehrNicht zu bekifft ans Steuer

Ein Expertengremium hat einen neuen, höheren THC-Grenzwert für Autofahrer vorgeschlagen. Die Polizeigewerkschaft fordert Kontrollinstrumente.

Der THC-Grenzwert im Verkehr soll erhöht werden – ohne die Verkehrstauglichkeit einzuschränken Foto: Fabian Sommer/dpa

Berlin epd | Nach der Verabschiedung des Cannabis-Gesetzes hat eine unabhängige Expertengruppe im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums eine Empfehlung für einen THC-Grenzwert im Straßenverkehr vorgelegt. Er soll bei 3,5 Nanogramm pro Milliliter (ng/ml) Blutserum liegen, teilte das Bundesverkehrsministerium am Donnerstag in Berlin mit.

Dem Wissenschaftler-Gremium zufolge entspricht der Wert einer Blutalkoholkonzentration von 0,2 Promille. Ab diesem Wert sei die Fahrsicherheit beeinträchtigt. Er liege aber unterhalb der Schwelle, ab der das Unfallrisiko steige.

Bisher wird der niedrigere Grenzwert von 1 ng/ml THC im Straßenverkehr toleriert. Als THC (Tetrahydrocannabinol) wird die psychoaktive Substanz von Cannabis bezeichnet, die den Hauptanteil der berauschenden Wirkung ausmacht. Die Substanz wirkt anders als Alkohol und ist bei regelmäßigem Konsum noch mehrere Tage nach dem letzten Zug an einem Joint nachweisbar.

Mit der Anhebung des Grenzwerts auf 3,5 ng/ml werde erreicht, dass nur die Verkehrsteilnehmer sanktioniert würden, die nicht allzu lange vor der Autofahrt Cannabis konsumiert haben, erklärten die Experten aus der Medizin, Pharmakologie und der Polizei. Sie empfehlen außerdem, für Cannabiskonsumenten Alkohol am Steuer ganz zu verbieten. Der Mischkonsum stelle im Straßenverkehr ein besonderes Risiko dar.

„Wissenschaftlich fundiert“

Die drogenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Kristine Lütke, bezeichnete den Vorschlag der Kommission als „wissenschaftlich fundiert“. Der Grenzwert schütze die allgemeine Verkehrssicherheit, aber auch die Freiheit der Konsumenten, sagte die FDP-Politikerin. Sie forderte den Bundestag auf, ein zügiges Gesetzgebungsverfahren für den neuen Grenzwert einzuleiten.

Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) unterstützt die Empfehlungen des Expertengremiums. Damit ziehe bei dem „unausgegorenen Cannabis-Gesetz“ zumindest in einem wichtigen Punkt mehr Rechtssicherheit ein, sagte Alexander Poitz, der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft. Allerdings vermisse die Gewerkschaft einen zusätzlichen, niedrigeren Grenzwert für Fahranfänger oder Fahrer von Personentransporten.

„Unseren Kolleginnen und Kollegen wird nichts anderes übrig bleiben, als abzuwarten, wie sich der empfohlene Grenzwert auf die Fahrsicherheit auswirken wird“, sagte Poitz. Dazu seien vermehrte Kontrollen notwendig. Für diese benötige die Polizei laut dem Gewerkschafter moderne Kontrollinstrumente sowie Fortbildungen. Darüber hinaus müsse erfasst werden, wie sich Verkehrsunfälle unter Drogeneinfluss entwickeln.

Der Vorschlag des Expertengremiums ist den Angaben zufolge dem Gesundheitsministerium zugeleitet worden. Mit dem Cannabis-Gesetz, das am 1. April in Kraft tritt, wird der Besitz und Anbau von Cannabis für Erwachsene in begrenzten Mengen legalisiert. Bis ein neuer THC-Grenzwert im Straßenverkehr gesetzlich geregelt ist, gilt laut Verkehrsministerium der gegenwärtige Wert von 1 ng/ml.

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14 Kommentare

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  • Ich kann mir als Laie nicht genau vorstellen, was ich mir unter einem Wert von 1ng/ml oder 3,5 ng/ml vorstellen kann.

    Wie hoch sind denn die Schätzwerte (es ist ja individuell), wenn ich zum Beispiel am Abend einen Joint rauche und mich am nächsten Morgen ans Steuer setze?

    • @Malte Schaper:

      ng/ml Serum, ab da wirds kompliziert:



      de.wikipedia.org/w...trahydrocannabinol



      Die Crux ist, die Metaboliten (Abbauprodukte) machen das Kraut gegen den Delinquenten fett; anders als im Artikel suggeriert wird, sind die des hauptsächlich, worauf die jetzigen Tests anschlagen.



      Das 1ng/ml Serum (Blut oder Blutplasma, siehe "kompliziert*lol*) ist so knapp über statistischem Rauschen; d.h. die Aussage ist nur, daß zeitnah (0 Sek bis mehrere Wochen) vor dem Test THC-Konsum vorlag. In salopp; eine Tüte am Abend davor wird sich je nach Körpergewicht und Stoffwechsel "verstecken" können; 3g gescheites Gras oder Shit beim Open-Air-Wochenende auch am Freitag danach noch die Polizei zu weiteren Aktivitäten animieren. (Voraussetzung, siehe die "Fettliebe" von THC und Metaboliten, gelegentlicher Gelegenheitskonsum.) Bis jetzt wars halt meist so, daß, wenn Alk über 0,3 Promille am Steuer oder verweigertem "Blastest", je nach Polizist*in ein Bluttest angeordnet wurde und die Polizei gerne mal dem KH Bescheid gab, gleich noch ein screening illegaliserter Substanzen mitzuerledigen. Bei Auffälligkeiten/Unfall "jüngerer Menschen" oder sonstwie ned " Normpersonen" sowieso.

  • Lustige Polizei. Geschätzt wird in Deutschland jede 3000-6000 "Alkoholfahrt" entdeckt. Weiß zum Glück niemand. Sonst wäre die Abschreckung noch geringer. Die Kontrollen der Polizei nach Cannabis werden wie gewohnt nach dem bekannten Muster ablaufen: auffällige Kleidung, Frisur oder Karre -> da gucken wir mal ganz genau hin. Für alles andere reicht das Personal eh nicht.

  • Was für eine Diskussion!



    Für beides, Alkohol + Cannabis/Drogen, gilt als "Grenzwert" 0,0!



    Damit weiß jeder, woran er ist und es gibt keine unnötigen Diskussionen bei Kontrollen über evtl. falsche Werte.

    • @Juhmandra:

      Ihre Rechtfertigung warum bei zwei verschiedenen Stoffen der selbe Grenzwert von 0,0 gelten soll ist also, weil es so schön einfach ist ?

      • @Rabenbote:

        Warum einfach, wenns auch kompliziert geht?

        • @Erfahrungssammler:

          Weil man es sich eben auch zu einfach machen kann ;)

      • @Rabenbote:

        Wie denn? Man braucht eine "Rechtfertigung" (Rabenbote) für das Befürworten von Abstinenz? Im Ernst?



        Und - im Vertrauen: Es ist tatsächlich "so schön einfach" auf Kiffen und Saufen zu verzichten wenn man Auto fährt. Da ist nix dabei. Das geht ganz easy. - Andernfalls hat man ein echtes Problem an der Backe!

        • @LittleRedRooster:

          Mit easy verzichten scheint es immer mehr Probleme zu geben in den Zeiten von Musthave, Man gönnt sich ja sonst nichts, Ich bin ja nicht blöd, Da wird Ihr Nachbar aber schauen.......

        • @LittleRedRooster:

          Man kann ja Abstinenz für sich selbst befürworten, dass muss mensch auch nicht rechtfertigen. Das ist igre Privatssache

          Wenn man aber Grenzwerte zu fordert, die alle im Straßenverkehr betreffen muss man due sehr wohl begründen und zu sagen, "das ist schön einfach" oder "Abstinenz ist toll und nicht schwer" ist nun mal kein guter Grund, wenn wir eine Regel für alle festlegen wollen.

          Das man Kiffen darf kurz bevor man Auto fährt bzw bekifft Autofahren legal wird fordert ja auch keiner, ein Grenzwert von 0,0 bei THC würde aber bedeuten dass man auch nicht Autofahren darf, obwohl das Zeug keine Wirkung mehr hat.

    • @Juhmandra:

      Cannabis kann noch Tage später im Blut nachgewiesen werden. Obwohl der Rausch selbst schneller abgebaut wird als bei Alkohol. Von drei Bier ist man auch nicht zwei oder drei Tage besoffen und fahruntüchtig.

    • @Juhmandra:

      Mir scheint, als sei Ihnen nicht klar, was ein Wert von 0,0 ng/ml bedeutet. Liege ich da richtig?

    • @Juhmandra:

      Es bleibt wie gehabt: man darf sich nicht erwischen lassen und muss Fragen nach Konsum immer mit "NEIN" beantworten, außer natürlich man torkelt aus dem Auto und nimmt die Beamten nicht für ganz voll - das könnte dann auffallen. (:

    • @Juhmandra:

      Naja, das "Problem" an der Sache ist, dass - im Gegensatz zu Alkohol - Cannabiskonsum noch wochen-/ monatelang nachweisbar ist. Baut sich halt extrem langsam ab, was aber mit der Verkehrstüchtigkeit dann nicht zwingend was zu tun hat. So gesehen ist das ein erstaunlich realistischer/ pragmatischer Vorschlag. Soweit ich weiss, liegt der Grenzwert in der Schweiz für' s Führen von Omnibussen/ Personenbeförderung(!) bei 5ng, in Holland heisst es lapidar: 24h nicht gekifft haben...