Neue Berliner Katzenschutzverordnung: Stubenarrest für Anarcho-Miezen
Freigängerkatzen dürfen ab jetzt nur noch gechippt und kastriert nach draußen. Tierschützer:innen finden das gut.
Da hat manch urbanes Katzentier bisher das Glück und lebt in einer Parterrewohnung. Nur ein Sprung aus dem Fenster, einmal durch die offene Terrassentüre geschlüpft und dann wartete sie da draußen: die große Freiheit. Großstadtleben, Mäuse und Ratten, jede Menge dunkle Ecken und erst die Hinterhofliebeleien mit Karl, dem leicht räudigen aber liebenswerten Kater von nebenan. Doch der Mensch hat kaum Sinn für anarchistische Miezen. Ab 9. Juni gilt in Berlin: grenzenloser Freigang nur noch für Gechippte und Kastrierte.
Wie viele Freigänger- und echte Straßenkatzen es gibt, ist unbekannt. Jedenfalls werden es offenbar mehr und das ist ein Problem. Zu viele streunende Katzen machen zu vielen Vögeln den Garaus, sagen Naturschützer:innen. So eine Katze vermehrt sich schließlich wie nur was, wird mit unter einem Jahr schon geschlechtsreif und dann drei bis sechs Babys pro Wurf!
Das ist auch dem Berliner Tierschutzverein Berlin (TVB) zu viel, der im Worst-Case-Szenario mit bis zu 80 Millionen Katzen binnen zehn Jahren rechnet. Nicht nur schlecht für die Vogelwelt ist das, sondern – so der TVB – vor allem für die Katzen selbst: Krankheiten, Parasiten, Hunger und weiteres Ungemach drohen den wild lebenden Nachkommen von unkastrierten Freigängern.
Im Zweifel Kastration
Also gibt es die im vergangenen Jahr beschlossene und jetzt in Kraft tretende Katzenschutzverordnung, die vorschreibt, dass alle Katzen, die sich im urbanen Raum frei bewegen wollen oder sollen, mit Mikrochips ausgestattet und unwiderbringlich kastriert sein müssen. Für alle anderen gilt: Leinenzwang, Freigang nur in umzäunten Bereichen oder Stubenarrest bis zum Sanktnimmerleinstag. Chip und Kastrierung kosten um die 150 Euro. Wer sich das nachweislich nicht leisten kann, kann sich für Unterstützung an den Tierschutzverein wenden.
Nun sind wir aber immer noch in Berlin, wo derlei Neuregelungen ihre Wirkung quasi im gegenseitigen Einvernehmen entfalten sollen (man denke an die Kotbeutelmitführungspflicht für Hundehalter:innen). Für alles andere fehlt nämlich das Personal. Kontrolliert werden soll der empfindliche Eingriff ins Katzenleben laut der zuständigen Senatsverwaltung für Umweltschutz jedenfalls nicht. Katzen, die zum Beispiel wegen Verletzungen aufgegriffen werden, werden aber im Zweifel auf Rechnung der Halter:innen zwangskastriert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?