Neue Bahnstrecke London-Paris: Süße kleine CO2-Bilanz
Mit dem Zug von der Insel auf den Kontinent? Heute geht's los - auf großer Testfahrt mit dem Eurostar.
Europa ist gerade ein bisschen näher gerückt. So behauptet es zumindest die britische Presse in ihren Vorberichten zur heutigen Eröffnung des neuen Eurostar-Terminals in London. Eine neue Strecke und japanische Schnellzüge sollen die Reisedauer von London nach Paris und Brüssel um 20 Minuten verkürzen. Reisen per Zug ist die grüne Zukunft, das lassen auch britische Journalisten ihre Leser wissen.
Ich als Britin, die regelmäßig Fernreisen mit dem Zug bestreitet, bin daher schon ganz stolz auf meine süße kleine CO2 Bilanz. Neulich bin ich noch einmal mit einem der letzten Eurostar-Züge, die vom alten Terminal abgefahren sind, von London nach Berlin gereist.
Der Eurostar ist geschmeidig und komfortabel. Ich dagegen musste auf Bequemlichkeit verzichten: Als ich eine Woche vorher buchen wollte, gab es nur noch Tickets für die Klasse, die eigentlich für Tiere vorgesehen sein müsste. Sechs Betten in einem Schlafabteil, keine Decken und diverse nächtliche Besucher, den Schaffner eingeschlossen, der um ein Uhr nachts hereinkam und auf jedes Bett klopfte, auf der Suche nach freien Betten. Um sechs Uhr morgens dann der Tiefpunkt: Über schlafende Körper am Boden in den Gängen kletterte ich in Richtung Toilette und gab mein bestes, möglichst nicht ins Waschbecken zu gucken, in dem eklige Dinge schwabbelten. Endlich in Berlin angekommen wollte ich nur noch eines: Schlafen. Europa rückt naeher? Naja. Wäre da nicht die Rückreise gewesen, die sich im Gegensatz zur Hinfahrt anfühlte wie eine Himmelfahrt.
In der Luxus-Klasse bekommt man frische Leinenlaken und Handtücher, Frühstück ans Bett serviert und ein eigenes privates Badezimmer mit Dusche, das man mit einer Person teilen muss - in meinem Fall eine Designerin, die aus Angst vor Terror nicht mehr fliegt. Und sie erklärte mir auch das Klassensystem in den Zügen. Wahrscheinlich handelt es sich um das bestgehütete Geheimnis der Deutschen Bahn, aber ja, es gibt eine dritte Klasse, eine zwischen Viehtransport und Luxus. Gut zu wissen.
Momentan fühle ich mich trotzdem noch wie ein einsamer Ranger im grünen Reisebereich, aber vielleicht werden wir ja mehr - wenn auch die Vielflieger endlich wahrnehmen, wie einfach es eigentlich ist, mit dem Zug mal eben in Kontinentaleuropa oder in Grossbritannien vorbei zuschauen.
Die Autorin arbeitet beim "Guardian".
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